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Frage von Mirko H. •

Frage an Andrea Wicklein von Mirko H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Wicklein,

vielen Dank für Ihre Antwort. Meine Frage bezog sich weniger auf die von Ihnen bezeichneten Inhalte des "Lissabon-Vertrages", sondern auf die - unserem Grundgesetz zum Teil widersprechenden und diesem nun dann völkerrechtlich übergeordneten - Punkte, wie z.B. die Wiedereinführung der Todesstrafe unter bestimmten Bedingungen (Erläuterungen zur Charta der Grundrechte zu Artikel 2, Absatz 2 EMRK), die Möglichkeit eines, u.U. auch präventiven, Militäreinsatzes im Innern der EU (AEUV Art. 222), die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten (Aufrüstungsverpflichtung - EUV Art. 43 (3) II) und zur Ergreifung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Basis des Verteidigungssektors (EUV Art. 45 (1) e), die Möglichkeit von Kampfeinsätzen im "Dienste der Interessen" der EU, zu denen insbesondere auch wirtschaftliche Interessen zählen (EUV Art. 42 (5) und 43 (1)) und die Festschreibung des bekannten Demokratiedefizits der EU (vgl. EUV Art.17 und AEUV Art. 244ff. für die Machtbündelung bei der Kommission, weitgehend ohne äußere Kontrolle).

Wie begründen Sie Ihre Zustimmung zu diesen Punkten des Vertragswerkes?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Heinke,

vielen Dank für Ihre Nachfrage.

Meines Erachtens wird die EU nicht „durch die Hintertür“ militarisiert. Auch mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon bleibt sie eine Zivilmacht. Wenn Sie einzelne Textpassagen als vermeintliche Belege für die Militarisierung zitieren, dürfen Sie andere Teile nicht unter den Tisch fallen lassen. So lautet Art. 21 des EU-Vertrages: „Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten, die für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch weltweit zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Vereinten Nationen und des Völkerrechts.“ Die EU bleibt damit dem Ziel des Weltfriedens und dem Verbot von Angriffskriegen verpflichtet.

Dass der Vertrag festlegt, dass die Mitgliedstaaten schrittweise ihre militärischen Fähigkeiten verbessern, ist das Ergebnis der gänzlich geänderten Sicherheitslage nach dem Wegfall des Systemkonflikts zwischen Ost und West und den neuen Bedrohungslagen. Die früher auf die Territorialverteidigung ausgerichteten Armeen sind seitdem in einem gezielten Umbau. Zudem erfordert die unbestreitbar notwendige Einsatzmöglichkeit von Soldaten im Rahmen von internationalen Friedensmissionen eine deutlich andere Ausrüstung und eine differenziertere Ausbildung des beteiligten Personals. An diesen Anstrengungen sollen sich alle Mitgliedstaaten beteiligen.

Während Sie diesen Punkt so kritisch hervorheben, lassen Sie völlig außer Acht, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union insbesondere auf zivile Instrumente setzt, etwa auf gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen oder Maßnahmen der Konfliktverhütung und -nachsorge.

Der Vertrag von Lissabon weist der EU außerdem keine neuen Zuständigkeiten im Bereich der Verteidigungspolitik zu, was ausdrücklich in einer Erklärung zum Vertrag betont wird. Die Kompetenz im Verteidigungsbereich bleibt also bei den Mitgliedstaaten. Konsequenterweise erfolgt die Kontrolle und Legitimation des Einsatzes von militärischen Mitteln entsprechend der nationalen Regeln und nicht über das Europäische Parlament. Für Deutschland bedeutet dies, dass der Parlamentsvorbehalt des Bundestages bei Entscheidungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht angetastet ist.

Die von Ihnen geschilderte Gefahr, dass die in Artikel 222 AEUV geregelte Solidaritätsklausel den Einsatz der Bundeswehr oder sonstigen Militärs im Inneren über die bereits geltende Ausnahme im Rahmen der Amtshilfe (vgl. Artikel 35 Grundgesetz) hinaus ermögliche, trifft daher ebenso nicht zu. Dies wäre mit dem besonderen Charakter der deutschen Sicherheitspolitik unvereinbar.

Wie Sie meinen Ausführungen entnehmen konnten, teile ich Ihre Bedenken hinsichtlich der genannten Punkte des Lissaboner Vertrages nicht und habe ihm daher zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Wicklein