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Andrea Wicklein
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Frage von Hans-Juergen W. •

Frage an Andrea Wicklein von Hans-Juergen W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Wicklein,
Bei welchen Entscheidungen Ihrer langjaehrigen Mitgliedschaft im Bundestag haben Sie gewissensabhaengig gegen die "Empfehlungen" des Fraktionsvorstands stimmen muessen
MfG Wendl

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wendl,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich Ihnen gern beantworten möchte. Seit 2002 gehöre ich dem Deutschen Bundestag als Abgeordnete an, und für mich ist dieses Mandat mit einer sehr großen Verantwortung verbunden. Deshalb wäge ich tatsächlich alle Entscheidungen mit größter Sorgfalt ab. Leitlinien für meine Entscheidungen sind dabei sowohl die Beschlüsse der SPD, als auch der Koalitionsvertrag und insbesondere bei ethischen Fragen meine eigenen Wertvorstellungen und Überzeugungen. Die Ausübung meines freien Mandats ist für mich selbstverständlich. Zuletzt habe ich zum Beispiel entgegen der Mehrheit meiner Fraktion und nach intensiver Beschäftigung mit der Problematik gegen den Einsatz deutscher Streitkräfte gegen den IS in Syrien gestimmt. In diese Entscheidung habe ich die aktuellen Entwicklungen in der Türkei und in Syrien einbezogen. Auf der anderen Seite benötigt die Arbeit im Deutschen Bundestag immer auch ein hohes Maß an Geschlossenheit in den Fraktionen, an Kompromissbereitschaft und an Vertrauen in die jeweils zuständigen Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker. Das ist aus meiner Sicht auch wichtig für die Stabilität unserer Demokratie.

Gern möchte ich Ihnen anhand eines Beispiels erläutern, warum ich zum Beispiel auch schon gegen meine eigentliche Überzeugung für einen Gesetzentwurf gestimmt habe. So habe ich im März 2015 für die Einführung des CSU-Prestigeprojekts PKW-Maut gestimmt, obwohl ich diesem Gesetzentwurf nicht viel abgewinnen konnte. Warum habe ich dennoch zugestimmt? Demokratie bedeutet Kompromiss.
Bei der letzten Bundestagswahl haben sich 41,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die CDU/CSU entschieden, bei einer Wahlbeteiligung von fast 72 Prozent. Dieses deutliche Votum der Bürgerinnen und Bürger akzeptiere ich natürlich. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen habe ich dennoch intensiv daran gearbeitet, dass der Koalitionsvertrag zwischen der und Union und der SPD wichtige sozialdemokratische Projekte enthielt.
So konnten wir in dieser Legislatur große Verbesserungen für die Menschen durchsetzen, die vor ein paar Jahren undenkbar gewesen wären: darunter den Mindestlohn, das Rentenpaket, die Frauenquote, die Mietpreisbremse, die Begrenzung der Leiharbeit, Verbesserungen bei der Pflege, eine bessere Städtebauförderung, oder auch mehr Geld für die Kommunen und damit für Kitas, Straßen und Schulen.
Alle diese Projekte waren nicht Teil der politischen Agenda der Union, aber die Konservativen haben aufgrund der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag dennoch zugestimmt. Wir haben von Anfang an deutlich gemacht: Die PKW-Maut ist kein verkehrspolitisches Anliegen der SPD. Aber zur Demokratie gehören Kompromisse, und wir haben uns im Rahmen des erreichten Gesamtpakets im Koalitionsvertrag einverstanden erklärt, diesem einzigen Vorhaben unseres Koalitionspartners CSU nicht im Wege zu stehen, wenn unsere daran geknüpften Bedingungen erfüllt werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Eindruck vermitteln, welche Überlegungen bei all meinen Entscheidungen eine Rolle spielen. Über all diesen Erwägungen steht für mich der Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern in meinem Wahlkreis, den ich intensiv pflege. Auch darum möchte ich mich nochmal bei Ihnen bedanken, dass Sie den Kontakt zu mir gesucht haben.

Mit freundlichen Grüßen
Andrea Wicklein