Frage an Andrea Wicklein von Jan S.
Sehr geehrte Frau Wicklein,
bei der am 10.11. anstehenden Abstimmung im Bundestag zur Verlängerung der Bundeswehrbeteiligung im Kampf gegen den IS in Syrien und nun auch der Genehmigung von AWACS-Einsätzen möchte ich Sie bitten mit NEIN zu stimmen:
- Kriegsführung bedeutet unvermeidlich die Tötung von Zivilbevölkerung, gerade auch bei Luftschlägen, für die die Bundeswehr ihr Ressourcen zur Verfügung stellt.
- Eine militärisch-politische Perspektive, was mit den Luftschlägen in Syrien erreicht werden kann, ist nicht erkennbar - es handelt sich um militärische Symbolpolitik zu einem menschlich und finanziell hohen Preis.
Stattdessen sollten zivile Strategien der Konfliktaustragung gestärkt werden, z.B:
- Ausbildung für Friedensarbeit in den Flüchtlingslagern, womit die „Nonviolent Peaceforce“ im Libanon begonnen hat
- Unterstützung von Demokratieprojekten und gewaltfreien Engagement der syrischen Zivilbevölkerung (ja, die gibt es!)
- Vermittlung lokaler Waffenstillstände
- Einrichtung eines international getragenen Ausstiegsprogramms für ehemalige IS-Kämpfer*innen
Auch diese Maßnahmen werden nicht kurzfristig Frieden bringen, aber dafür langfristig anders als Militäreinsätze zu einer stabilen und friedlichen Entwicklung der Region beitragen. Ich bin gespannt auf ihre Antwort - mit freundlichen Grüßen
Jan Stehn
Sehr geehrter Herr Stehn,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail. Ich habe prinzipielle Einwendungen, die aus meiner Sicht gegen eine Verlängerung des Mandates sprechen. Das sind in erster Linie die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei, die für mich wichtig sind bei der Abwägung ob das Bundeswehrmandat dort verlängert werden sollte.
So habe ich zum Beispiel schon im März diesen Jahres gemeinsam mit über 130 Mitgliedern des Deutschen Bundestags in einem Brief an den türkischen Staatspräsidenten Erdogan die Einhaltung der Presse- und Meinungsfreiheit sowie der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei gefordert. Seitdem hat sich die Lage in der Türkei noch extrem verschärft.
Aus meiner Sicht darf man das praktisch nicht durchgehen lassen. Präsident Erdogan sollte auch aus Deutschland das klare Signal bekommen, dass wir nicht bereit sind, die diktatorischen Tendenzen seiner Politik und die Beschneidung von Freiheits- und Menschenrechten zu ignorieren.
Zum anderen schätze ich die Lage in Syrien als äußerst unübersichtlich und diffus ein, sodass ich nicht sicher sein kann, dass die durch unsere Aufklärungsflüge bereitgestellten Informationen an die richtigen Adressaten kommen.
Aus diesen Gründen werde ich morgen dem Antrag der Bundesregierung zur „Fortsetzung und Ergänzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS“ nicht zustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Wicklein