Frage an Andrea Wicklein von Bernhard B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Wicklein,
Der Parteikonvent der SPD im September 2014 beschloss “Erwartungen an die transatlantischen Freihandelsgespräche”. Nun hat die öffentliche Debatte des letzten Jahres zu den Handelsabkommen TTIP und CETA deutlich gemacht, dass in gleichem Maße Erwartungen der Öffentlichkeit an die Politik der SPD bestehen. Der Bundesparteitag der SPD vom 10.-12. Dezember 2015 wird - so vermute ich - auf diese Erwartungen reagieren und eine Position zum derzeitigen Stand der Handelsvereinbarungen beziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich folgende Fragen an Sie richten:
1. Das Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) liegt seit letztem Jahr in seiner konsolidierten Textversion vor. Die Handelskommissarin Malmström hat im September d.J. Reformvorschläge zum Investitionsschutz und zu den Schiedsgerichten unterbreitet, die in nicht geringem Maße auf die Bemühungen sozialdemokratischer Politiker in Deutschland und Europa zurückgehen.
Erachten Sie es im Lichte dieser Vorschläge für notwendig, einzelne Kapitel in CETA neu zu verhandeln? Was sind die Beweggründe für Ihre bejahende oder ablehnende Haltung?
2. Die Europäischen Kommission legte Ende Oktober d.J. den Textvorschlag zu einem Nachhaltigkeitskapitel für die Verhandlungen zu TTIP vor.
Erachten Sie die dort vorgeschlagenen Schutzstandards für Arbeitnehmer- und Umweltrechte als ausreichend, wenn man sie an den Erwartungen des Parteikonvents misst? Was sind die Gründe für Ihre Auffassung?
3. Sehen Sie in CETA und TTIP (soweit Textvorschläge vorliegen) für Arbeitnehmer- und Umweltrechte einen wirksamen Durchsetzungsmechanismus, der gewährleistet, dass diese Rechte ihre Funktion als Schutzstandards erfüllen können und sie nicht in die Rolle nicht-tarifärer Handelsbarrieren gedrängt werden?
Ich hoffe auf eine baldige Antwort und verbleibe
mit freundlichem Gruß
Bernhard Bielick
Sehr geehrter Herr Bielick,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Sie haben Recht: Dank der Sozialdemokratie auf Europäischer Ebene und nicht zuletzt auch auf Druck der Öffentlichkeit, sind schon viele Verbesserungen, insbesondere im Themenbereich Investitionsschutz in TTIP und CETA erreicht worden. Das ist ein großer Erfolg.
Beide Abkommen, sowohl CETA, als auch TTIP müssen im Europäischen Parlament und höchstwahrscheinlich auch durch nationale Parlamente abgestimmt werden. Derzeit zeichnet sich ab, dass es zu dieser Zustimmung durch die Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament nicht kommen wird.
Der Vorschlag der Kommission vom Oktober 2015 zum Nachhaltigkeitskapitel geht deutlich weiter als alle bisherigen. Damit folgt die EU-Kommission der klaren Position des Europäischen Parlaments vom 8. Juli, in der ein umfangreiches Kapitel zu Arbeitnehmerrechten und Nachhaltigkeit eingefordert wurde.
Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Bernd Lange, der auch Vorsitzender des Ausschusses für Internationalen Handel im Europäischen Parlament ist, hat den aktuellen Stand wie folgt eingeschätzt: "In dem jetzt veröffentlichten Nachhaltigkeitskapitel wird die Umsetzung der grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eingefordert und die Ratifizierung noch ausstehender ILO-Arbeitsnormen vereinbart. Insbesondere sind die Rechte von Arbeitnehmern auf Vereinigung und zum gemeinsamen Verhandeln von Löhnen und Arbeitsbedingungen in einem eigenen Kapitel festgeschrieben (ILO 87 und 98), ebenso das Verbot von jeglichen Aktionen der Diskriminierung von Gewerkschaften. Die Kontrolle der Arbeitnehmerrechte und der Sicherheit soll unter anderem durch Arbeitsinspektoren erfolgen. Wichtig ist auch die Förderung der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Im Umweltschutzbereich wird auf die UN-Nachhaltigkeitsziele und grundlegende Schutzstandards Bezug genommen." Dem kann ich mich anschließen und bekräftigen, dass ich den Verhandlungsprozess aufmerksam verfolge, mir aber eine abschließende Meinung erst über den vorliegenden Entwurf bilden werde.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Wicklein