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Frage von Gottfried Dr. L. •

Frage an Andrea Wicklein von Gottfried Dr. L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Guten Tag Frau Wicklein,

der Bundesaußenminister hat bei seinem Besuch der Türkei erneut Aussichten auf eine EU-Mitgliedschaft gemacht. Ich komme mit dieser Frage grundsätzlich nicht klar. Denn alle Dokumente der EU sprechen von e u r o p ä i s c h e n S t a a t e n, auch im Vertrag von Lissabon Artikel 49 steht "Jeder europäische Staat ...... kann beantragen, Mitglied der Union zu werden". Aber die Türkei ist doch kein europäischer Staat und gehört einem anderen Kulturkreis an. Schließt das nicht eine EU-Mitgliedschaft grundsätzlich aus?
Ich verstehe, dass die Türkei im kalten Krieg eine wichtige Südostflanke der NATO war, aber diese Aera ist zum Glück vorbei, und nun kann die EU mit allen Ländern gut zusammenarbeiten, ohne sich über Europa hinaus auszudehnen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Lindner

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Dr. Lindner,

vielen Dank für Ihre Frage auf abgeordnetenwatch.de, auf die ich Ihnen sehr gerne antworten möchte. Geografisch betrachtet liegt die Türkei nur zu einem kleinen Teil ihres Staatsgebietes in Europa und zu einem großen Teil in Asien. Die Türkei zählt damit zu den Staaten auf europäischem Territorium. Auch politisch zählt die Türkei zu Europa. Dies drückt sich beispielsweise durch ihre Mitgliedschaft im Europarat aus. Bereits im Gründungsjahr des Europarates 1949 ist die Türkei diesem wichtigen Forum beigetreten. Seit mehr als 40 Jahren bestehen darüber hinaus vertragliche Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. So wurde bereits 1963 die Zollunion zwischen der EU und der Türkei abgeschlossen.

Oft wird von Kritikern einer Mitgliedschaft der Türkei in der EU das Argument vorgebracht, die Türkei würde einem anderen Kulturkreis angehören und seien Staaten mit mehrheitlich islamischer Religion unvereinbar mit den westlich-demokratischen Regierungsformen. Wichtig ist, dass es sich bei der EU nicht um eine christliche Wertegemeinschaft handelt. Vielmehr gehören zur EU nach dem Vertrag von Lissabon diejenigen Staaten, "die aus dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas schöpfen, aus dem sich die unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen sowie Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte entwickelt haben."

Die EU ist - auch von ihren Traditionen her - eine Wertegemeinschaft. Ihre Werte haben Verfassungscharakter und heißen vor allem: Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit. Entscheidend für den Fortgang der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist insbesondere die Frage, inwiefern die Türkei diese Werte teilt. Das wird auch die maßgebliche Voraussetzung für den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union sein. Auch darf nicht vergessen werden, dass durch die Einbindung der Türkei in die EU-Politik und die Inaussichtstellung eines Beitritts bereits wesentliche Fortschritte im Interesse der Menschen in der Türkei erzielt wurden.

Mit freundlichen Grüßen
Andrea Wicklein