Frage an Andrea Wicklein von Karsten H. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrte Frau WIcklein,
Sie haben für das Gesetzt für Internetsperren gestimmt. Inzwischen wurde bekannt, dass die Argumentation des Familienmisteriums größtenteils auf veralteten und vermuteten Daten beruht (Anzahl der Fälle, Existenz und finanzieller Umsatz der dahinterstehenden Industrie, Länder ohne Verfolgung von dokumentiertem Kindesmissbrauch). Werden Sie sich in der kommenden Legislaturperiode dafür einsetzen, dass das Gesetz wieder abgeschafft wird?
Experten berichten übereinstimmend, dass ein Großteil des kinderpornographischen Materials nicht über das offene Internet, sondern über den Postweg oder Handys verteilt wird. Werden Sie sich daher für eine umfassende Überwachung aller Briefe und Telefonate einsetzen?
Wie stehen Sie im Kontext der letzten Frage zum Post- und Fernmeldegeheimnis?
Sind Sie der Meinung, dass das Fernmeldegeheimnis auch für elektronische Kommunikationswege gelten sollte?
Die Internetsperren werden unter der Prämisse eingerichtet, dass nur und ausschließlich Kinderpornographie geblockt wird. Werden Sie gegen jedes Gesetz stimmen, das diese Prämisse aufweicht? Werden Sie sich dafür auch über den Fraktionszwang hinwegsetzen? Solle eine Ausweitung der Internetsperren beschlossen werden, welche persönlichen Konsequenzen ziehen Sie für Ihr Amt?
Haben Sie sich auch nach der Abstimmung mit kritischen Stimmen zu den Internetsperren auseinandergesetzt?
Glauben Sie, dass im Kampf gegen Kindesmissbrauch alle Mittel ausgeschöpft sind?
Sind Sie der Meinung, dass die Polizeibehörden personell, technisch und finanziell in der Lage sind, die Strafverfolgung im Internet nach den bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen effektiv durchzuführen?
Mit freundlichen Grüßen
Karsten Heymann
Sehr geehrter Herr Heymann,
vielen Dank für Ihre Fragen zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet.
Unabhängig von der schwer zu beurteilenden Frage, inwieweit der Missbrauch von Kindern zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell und anonym verbreitet und ohne jegliche soziale Kontrolle konsumiert werden können. Ich bin der Ansicht, dass der kommerziellen Verbreitung von Kinderpornographie über das Internet nicht tatenlos zugesehen werden darf. Deshalb sind gesetzliche Regelungen zum Schutz der Kinder notwendig. Mit dem nun vorliegenden Gesetz verfolgen wir das Ziel, den Zugang zu kinderpornographischen Inhalten unter Beachtung der rechtsstaatlichen Grundsätze zu erschweren.
Die Diskussionen bei diesem sensiblen Thema haben zur einer Petition mit über 130.000 Unterstützern geführt, außerdem gibt es eine öffentliche Debatte und unterschiedliche Positionen in der SPD. Mit der Gruppe "Piraten in der SPD" hat sich bereits eine eigene Gruppe in der SPD gebildet, welche gegen diese gesetzliche Regelung ist. Die gesamte Diskussion hat zur Veränderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs geführt. Der SPD-Bundestagsfraktion ist es gelungen, gegenüber der ursprünglichen Gesetzesvorlage aus dem Bundeswirtschaftsministerium weitreichende Schutzbestimmungen für die Internet-Nutzer durchzusetzen. Dazu zählen insbesondere:
. die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips "Löschen vor Sperren"
. die Kontrolle der BKA-Liste durch ein unabhängiges Gremium beim Datenschutzbeauftragten,
. datenschutzrechtliche Bestimmungen,
. eine spezialgesetzliche Regelung, die nicht auf andere Zwecke ausgedehnt werden kann sowie
. eine Befristung des Gesetzes bis Ende 2012.
Der zentrale Vorwurf aus der Internetgemeinde, dass mit Gesetz eine Zensur-Infrastruktur geschaffen werde, ist insbesondere nach den von der SPD durchgesetzten Änderungen, nicht haltbar. Erstens wurde eine spezialgesetzliche Regelung geschaffen, so dass nur Sperren mit entsprechendem Inhalt betroffen sind. Sperren sind ausdrücklich nicht auf andere Inhalte oder Zwecke übertragbar (auch wenn dies nun von CDU-Abgeordneten gefordert wird). Zweitens gab es bereits vor dem angesprochenen Gesetz die technische Infrastruktur zur Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischem Inhalt aufgrund von Verträgen zwischen BKA und den größten Internet-Providern in Deutschland. Hier fehlten Schutzvorschriften für die Vorgehensweise unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten. Nun gibt es aber eine rechtliche Grundlage, welche auch den Schutz des Internets bzw. der Nutzer gewährleistet.
Durch die Befristung des Gesetzes kommt die von Ihnen angesprochene Abschaffung nicht in Betracht. Eine Evaluierung wird die Wirkung dieses Gesetzes untersuchen.
Eine umfassende Überwachung von Briefen und Telefonaten in dem von Ihnen genannten Maße ist weder vorgesehen, noch verhältnismäßig oder akzeptabel. Das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie im Internet ist daher eindeutig in seinem Maße eingeschränkt worden und wird zudem durch ein unabhängiges Gremium überwacht. Aufgrund dieser Basis bin ich nicht für die Ausweitung entsprechender Maßnahmen auf andere Bereiche. Die SPD-Fraktion wirbt dafür, sowohl das Thema Kinderpornographie als auch das freie Internet mit der gebotenen Sensibilität zu behandeln. Der wichtige Kampf gegen Kinderpornographie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer müssen sich nicht ausschließen. Der Direktor des Bundeskriminalamtes, Jürgen Maurer, hat in der Anhörung zum Gesetzentwurf im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Bundestages die Ansiedlung der Verwaltung der Sperrliste beim BKA ausdrücklich begrüßt. Diese Stelle ist m.E. in jeder Hinsicht in der Lage das Gesetz in vollem Umfang auszuführen.
Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Wicklein