Frage an Andrea Wicklein von Uwe N. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Liebe Andrea Wicklein,
habe gelesen, dass der Bundestag die Erweiterung der Afghanistan-Mission beschlossen hat. Ich habe die Bundeswehr immer als Verteidigungsarmee verstanden und verstehe nicht, was es in Afghanistan aus europäischer und deutscher Sicht zu verteidigen gibt ?
Wird nicht die viel-beschworene terroristische Bedrohung nicht gerade durch solche Einsätze verursacht ?
Viele Grüße aus Brüssel
Uwe Neumann
Sehr geehrter Herr Neumann,
vielen Dank für Ihre Frage zum Afghanistan-Einsatz vom 03. Juli 2009.
In einer globalisierten Welt sind nationalstaatliche Lösungen nicht mehr tragfähig. Es gibt mit den Vereinten Nationen, der NATO, den G8-Ländern und den G20-Ländern bereits wichtige internationale Organisationen zur effektiven Zusammenarbeit von Staaten. Deutschland muss und kann dabei internationale Verantwortung übernehmen.
Vor weltumspannenden Problemen kann man sich nicht drücken, sondern man muss gemeinsam Handlungsoptionen erarbeiten und diese auch entsprechend gemeinsam umsetzen. Das heißt also, dass es keine Option für Deutschland ist, sich nicht an der internationalen Konfliktbewältigung zu beteiligen.
Die Bundeswehr ist zusammen mit anderen Partnern an mehreren Friedens- und Stabilisierungsmissionen beteiligt. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr erfolgen stets auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen und in enger Abstimmung mit unseren Partnern in der EU und der NATO. Eine parlamentarische Einzelentscheidung ist für uns weiterhin unabdingbar.
Ich bin überzeugt, dass der Einsatz deutscher Bundeswehrsoldaten in Afghanistan auch dem Schutz der inneren Sicherheit in Deutschland dient. Dabei muss aber klar sein, dass Kampfeinsätze immer nur die ultima ratio, sprich das letzte Mittel, sein dürfen. Der Tod deutscher Soldaten ist ein hoher Preis, den wir zahlen, jedoch können wir das Land nicht den Terroristen überlassen. Der Einsatz ist in ein politisches Gesamtkonzept integriert. Es geht einerseits um den Aufbau staatlicher Institutionen und der nachhaltigen Entwicklung einer Infrastruktur, andererseits erfordert dies aber auch eine stabile Sicherheitslage.
Wir Sozialdemokraten haben die Entwicklungspolitik seit 1998 aus dem Schattendasein herausgeholt und als globale Strukturpolitik zu einem zentralen Thema auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene gemacht. Entwicklungspolitik ist für uns elementarer Teil einer Strategie für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung und gegen Hunger, Armut und Umweltzerstörung, Staatszerfall, bewaffnete Konflikte, Gewalt, Krieg und Terrorismus.
In Afghanistan wurden 5.000 neue Schulen für Jungen und Mädchen gebaut. Und für deutsche Jugendliche eröffnet der neue BMZ-Freiwilligendienst "weltwärts" die Möglichkeit, die Menschen in den Partnerländern, ihre Lebensbedingungen und die Entwicklungsarbeit vor Ort kennenzulernen. Im Welthandel haben wir die gerechte Teilhabe der Entwicklungsländer und die Abschaffung der Agrarexportsubventionen bis 2013 eingefordert.
Es ist uns in den letzten Jahren gelungen, die Haushaltsmittel für Entwicklungszusammenarbeit kontinuierlich auf heute insgesamt fast 10 Mrd. Euro zu steigern. Wir haben die Beachtung von Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards bei der Richtlinie für öffentliche Auftragsvergabe einbringen können.
Es ist eine permanente Aufgabe der Bündnispartner, den Einsatz zu hinterfragen und die Strategien anzupassen. Ich werde sehr darauf achten, dass der Schwerpunkt des Einsatzes auf der Sicherung des Friedens und dem Wiederaufbau sowie auf der Demokratisierung liegt. Jedes zivile Opfer und jeder tote Soldat sind für mich Verpflichtung, besonders aufmerksam die Entwicklung und die eingesetzten Mittel zu verfolgen und zu überprüfen.
Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Wicklein
Sehr geehrter Herr Ehrlich,
vielen Dank für Ihre kritischen Fragen zum Vertrag von Lissabon. Die vielen Fragen auf abgeordnetenwatch.de und in persönlichen Gesprächen zeigen mir, dass die EU auf diesem Feld wesentlich stärkere Aufklärungsarbeit leisten muss.
In Art. 222 Abs. 1 der Konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) heißt es „Die Union und ihre Mitgliedstaaten handeln gemeinsam im Geiste der Solidarität, wenn ein Mitgliedstaat von einem Terroranschlag, einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Katastrophe betroffen ist.“
Das Bestreben einer gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist schon seit vielen Jahren ein Ziel der EU. Dies findet auch Ausdruck im gegenwärtigen Vertrag von Nizza in Art. 17. Dort heißt es in Absatz 1 „Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfasst sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Union betreffen, wozu auch die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte, falls der Europäische Rat dies beschließt. Er empfiehlt in diesem Fall den Mitgliedstaaten, einen solchen Beschluss gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften anzunehmen.“
In Absatz 2 werden zudem „humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen“ eingeschlossen.
Mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekennen sich die Mitgliedsländer zu einer friedlichen Zukunft und zum Schutz der Menschenrechte. Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik verfolgt das Ziel eines Ausbaus des Krisenmanagements und der Konfliktvermeidung auf internationaler Ebene und leistet somit einen Beitrag zum Erhalt des Friedens und der internationalen Sicherheit gemäß der Charta der Vereinten Nationen. Der Vertrag von Lissabon setzt diese Auffassung fort und benennt die Sicherung und Förderung von Frieden als eindeutiges Ziel. Die Achtung der Menschenwürde, die Wahrung der Menschenrechte und die Förderung von Frieden und des Wohlergehens der Völker sind die Grundsätze des Vertrags von Lissabon der Europäischen Union.
Zur Todesstrafe findet sich im 13. Protokoll zur Europäischen Menschrechtskonvention der Entschluss zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe. Die Abschaffung der Todesstrafe ist unmittelbarer Bestandteil der EU-Politik. Denn die Würde des Menschen und das Recht auf Leben sind unteilbar. Unter der deutschen EU-Präsidentschaft hat sich Deutschland deshalb für die konsequente Umsetzung der EU-Leitlinien gegen die Todesstrafe eingesetzt mit einem
„Aktionsplan Todesstrafe“ die Grundlage für eine Resolution gegen die Todesstrafe in der Generalversammlung der Vereinten Nationen gelegt. Diese Resolution wurde durch die Generalversammlung am 20. Dezember 2007 angenommen. Die Ächtung der Todesstrafe durch die EU bezieht sich auch auf militärische Konflikte.
Ihre Befürchtung einer Militarisierung der EU kann ich nicht teilen.
Ich hoffe, dass Sie Ihre Auffassung nach meiner Darstellung der Grundsätze des Handelns der EU überdenken werden.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Wicklein