Frage an Andrea Wicklein von Heiko K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Wicklein,
ich möchte Sie einmal auf folgenden -in meinen Augen Missstand- hinweisen:
Wenn Sie sich Jobanzeigen unter jobboerse.arbeitsagentur.de anschauen, werden Sie feststellen, dass fast jede Stelle (besonders die Stellen im Niedriglohnsektor) nur über eine Arbeitsvermittlung zu bekommen ist. Diese kann man jedoch nur nutzen, wenn man mindestens zwei Monate arbeitslos ist und so einen Vermittlungsgutschein von der Arbeitsagentur erhält.
Es ist somit nicht möglich, sich z. B. als Teilzeitbeschäftigter zu bewerben, um eine Vollzeitstelle zu bekommen, was in der Folge heißt, dass man sich vor allem als Un- oder Angelernter kaum verbessern kann.
Ich habe daher folgende Fragen:
Worin liegt der Sinn, dass ein Un- und Angelernter zunächst zwei Monate arbeitslos sein muss, um einen solchen Vermittlungsgutschein zu bekommen?
Wieso bekommt ein Arbeitsvermittler für einen vermittelten Job, der dem zu Vermittelnden selbst grad mal 400-800 Euro im Monat einbringt und teilweise auf gerade mal 6-12 Monate befristet ist, 2000 Euro vom Staat?
Wieso ist es möglich, dass ein Arbeitsvermittler einen zu Vermittelnden in einen Knebelvertrag zwingen kann, der den zu Vermittelnden förmlich zwingt, in seinem vermittelten Arbeitsverhältnis mindestens 6 Monate zu bleiben, ohne dass er die ansonsten ausbleibende Zahlung aus dem Vermittlungsgutschein aus eigener Tasche bezahlten muss?
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antworten, da ich bereits bei mehreren Personen mitbekommen musste, wie schwierig es für sie ist, ihre derzeitige Situation zu verbessern, sei es mit Arbeit oder sei es ohne.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Kunz
Potsdam-Innenstadt
Sehr geehrter Herr Kunz,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 19.05.2009, in dem Sie sich kritisch mit dem Vermittlungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit auseinandersetzen. Grundsätzlich möchte ich voranstellen, dass alle Aktivitäten und Bemühungen dem Ziel dienen, die Arbeitslosigkeit schnellstmöglich zu beenden. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es einen umfassenden Instrumentenkatalog der Agentur für Arbeit. Dieser wird ergänzt durch die Bemühungen der privaten Arbeitsvermittler und schließlich auch durch die Bemühungen der Arbeitsuchenden selbst.
Vielfältige Untersuchungen haben gezeigt, dass sich dieses Nebeneinander durchaus bewährt hat. Denn nach einer relativ kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit, in der die Agentur für Arbeit im Dialog mit den Betroffenen versucht, die Arbeitslosigkeit zu überwinden, kommt nach 2 Monaten der Vermittlungsgutschein hinzu. Dadurch können die Chancen für eine Beschäftigung weiter steigen, denn es entsteht ein sinnvoller Wettbewerb bei der Vermittlung, der letztlich den arbeitsuchenden Menschen zugute kommt. Im SGB III ist zudem klar geregelt, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, damit der vom Arbeitnehmer eingeschaltete private Vermittler eine Vergütung erhalten kann. Dazu zählt u. a.:
1. Den Vermittlungsgutschein, der aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert wird, kann der private Arbeitsvermittler nur im Erfolgsfall einlösen.
2. Dazu muss der Arbeitsuchende eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich erhalten. Die Beschäftigungsdauer muss mindestens drei Monaten betragen.
3. Der Vermittler darf nicht bereits von der Agentur für Arbeit mit der Vermittlung beauftragt worden sein.
4. Zudem wird die Vergütung an den Vermittler in Raten gezahlt. Die erste Teilrate erfolgt nach einer sechswöchigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses. Der Restbetrag wird erst nach sechs Monaten Beschäftigungsdauer gezahlt.
Nach meinen bisherigen Erfahrungen und auch nach zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen, unterstützen die privaten Arbeitsvermittler deshalb mit durchaus positivem Effekt die Arbeit der Bundesagentur für Arbeit bei der Vermittlung. Aus diesem Grund haben wir auch in der Koalition durchgesetzt, den Vermittlungsgutschein bis Ende 2010 zu verlängern. Denn es ist sehr wichtig, für eine schnelle Vermittlung einen flexiblen, effizienten und transparenten Instrumentenkasten parat zu haben.
Die Nutzung des Vermittlungsgutscheins bedeutet aber keinesfalls, dass der private Arbeitsvermittler eigenmächtig handeln kann. Denn im schriftlichen Vermittlungsvertrag, der mit dem privaten Arbeitsvermittler geschlossen wird, ist beispielsweise die Vermittlungsvergütung angegeben, die an ihn zu zahlen ist und mit der alle Vermittlungsleistungen (Eignungstests, Karriereberatung, etc.) abgegolten sind.
Fest steht: Der Vermittlungsgutschein ist nur ein Baustein in diesem Instrumentenkasten. Er bedeutet nicht, dass die Agentur ihre Vermittlungsbemühungen an Private abgibt und selbst nicht aktiv bleibt. Ganz im Gegenteil: Auch die Agentur für Arbeit muss weiter alles daran setzen, dass ihre Vermittlungsbemühungen zum Erfolg führen. Deshalb hat sie in ihrer Stellenbörse zahlreiche Stellen, welche ohne Vermittlungsgutschein zu bekommen sind und sucht weiter gemeinsam mit dem Arbeitsuchenden nach Lösungen.
Ich bitte Sie deshalb zu bedenken, dass die Vermittlung in eine neue Beschäftigung gerade auch für ungelernte Arbeitsuchende eine wichtige Chance sein kann. Denn eine dauerhafte Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen ist weder für das eigene Selbstwertgefühl noch für den Lebenslauf positiv und kann langfristig sogar zu einer Entqualifizierung führen. Deshalb ist es neben der Vermittlung besonders wichtig, die vielfältigen Möglichkeiten zur Qualifizierung durch Trainingsmaßnahmen und die Bildungsgutscheine zu nutzen.
Um auf Ihre Erfahrungen mit dem Vermittlungsgutschein besser eingehen und vielleicht auch Perspektiven eröffnen zu können, möchte ich Sie gern in meine nächste Bürgersprechstunde einladen. Bitte rufen Sie mich dazu unter der Tel. 0331-73098100 an.
Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Wicklein