Frage an Andrea Nahles von Manfred B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Nahles,
es ist so langsam höchst paradox:
Die Automobilhersteller und ihre Zulieferer haben sich in der Vergangenheit besonders damit hervorgetan, in großem Stil Stammbelegschaft gegen Zeitarbeiter auszutauschen.
Dafür war Zeitarbeit ursprünglich jedoch nicht gedacht, wird von den großen Unternehmen aber gnadenlos ausgenutzt.
Die Regierung hat diesem Treiben tatenlos zugeschaut mit der Folge, dass diese Menschen aufgrund der lächerlichen Löhne gerade noch für den Lebensunterhalt konsumieren können, sich jedoch mit Sicherheit kein neues Auto kaufen können (übrigens auch nicht mit einem Mindestlohn von 7,50 Euro), geschweige denn fürs Alter vorsorgen können.
Und jetzt kommt wieder ein Vorschlag, ausgerechnet von Herrn Steinmeier, der Automobilindustrie unter die Arme zu greifen.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:
1. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass das gesamte System "Zeitarbeit" auf den Kopf gestellt werden muß? Dahingehend, dass der Zeitarbeiter aufgrund seiner Flexibilität und des Risikos als erstes den Arbeitsplatz zu verlieren mehr verdienen muß als die Stammbelegschaft?
2. Warum unternimmt die Regierung nichts dagegen, dass die großen Unternehmen Leute ausstellen, um sie dann über eigens gegründete Leiharbeitsunternehmen zu Billiglöhnen wieder einzustellen?
3. Warum brauchen wir in Deutschland inzwischen tausende dieser Leiharbeitsunternehmen (in meinen Augen Sklavenhalter), die für ihre Dienste viel Geld bekommen, kein Risiko tragen und nur Billiglöhne bezahlen? Wann gibt es für solche Unternehmen endlich strengste Regeln?
4. Warum ist es bspw. in der Schweiz möglich, als Zeitarbeiter so viel zu verdienen wie die Stammbelegschaft und bei uns nicht?
Ich möchte noch hinzufügen, dass sich der zuständige Arbeitsminister und sein Ministerium strikt weigern, hier in diesem Forum oder auch per mail auf solche, wohl unangenehme Fragen zu antworten.
Deshalb spreche ich Sie hiermit als stellvertretende Parteivorsitzende an.
Mit freundlichen Grüßen
M.Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
es ist nicht richtig, dass die Regierung dieses Problem nicht im Blick hat. Zum Thema Leiharbeit verweise ich auf meine ausführliche Antwort in diesem Forum vom 2. Dezember 2008 an Herrn M.. Unter der Rubrik "Stichwortsuche" kommen Sie unkompliziert zu dieser Antwort.
Darüber hinaus hat in Bezug auf die Zeitarbeit eine Gesetzesänderung 2003 einen "equal pay" Grundsatz damals im Konsens mit den Gewerkschaften verabredet. Entweder regeln dies ein Zusatz oder ein Tarifvertrag. Das hat sich leider als Einfallstor für Lohndumping herausgestellt. Die SPD will diesen Zusatz daher streichen, was bedeuten würde, dass "equal pay" ohne Ausnahme gilt! Leider ist der Koalitionspartner derzeit nicht bereit, diese Änderung mitzutragen.
Im Gegensatz zu Ihnen sehe ich schon eine Möglichkeit im Mindestlohn. Diesen beraten wir wahrscheinlich abschließend kommenden Montag mit der Union und ich bin zuversichtlich, dass wir ihn gegen die Union durchbekommen.
Ich denke, Sie haben beim Thema Mindestlohn etwas missverstanden. Es geht nämlich nicht darum, einen Mindestlohn von 7,50€ verpflichtend für alle durch die Politik festzulegen. Löhne werden zwischen den Tarifparteien Branchenbezogen ausgehandelt und so soll es auch bleiben. Leider stellen wir aber in der Praxis immer wieder fest, dass viele Branchen und Unternehmen Löhne weit unter den von Ihnen zitierten 7,50€ ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlen. Das halte ich gelinde gesagt für eine Frechheit und Menschen unwürdig. Wir wollen eine gesetzliche Grenze nach unten schaffen und keinen Grenze nach oben setzen! Damit niemand auch aus den von Ihnen geschilderten Gründen zu Dumpinglöhnen arbeiten muss.
Derzeit arbeiten ca. 2 Millionen Menschen in unserem Land unter diesem von uns angestrebten Mindestlohn. Die Rente ist an Löhne gekoppelt. Würden diese von mir erwähnten 2 Millionen wenigstens die 7,50€ bekommen, hätten wir eine Rentensteigerung von 1,4%.
Wir versuchen also durchaus, strenge Regelungen im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen. Und ich kämpfe immer um Festanstellungen, die jeder anderen Regelung vorzuziehen sind.
Beste Grüße
Andrea Nahles