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Frage von Karl-Heinz R. •

Frage an Andrea Nahles von Karl-Heinz R. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Nahles,

ich bin immer noch geschockt darüber, wie Sie als Mitglied einer Partei, die sich "sozialdemokratisch" nennt und dem "linken Flügel" dieser Partei zugerechnet wird, dem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 zustimmen konnten!
Vermutlich wird dieses Abstimmungsverhalten der SPD bei der nächsten Bundestagswahl die SPD viele Stimmen kosten!

Mit diesem Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 wurde der Körperschaftsteuersatz von 25 % auf 15 % abgesenkt. Damit hat man u.a. den großen Kapitalgesellschaften, die jetzt teilweise in der "Finanzkrise" stecken, Steuergeschenke gemacht. Die Vorstände der großen Kapitalgesellschaften werden sich bedanken!

Im gleichen Atemzug hat man mit diesem Gesetz den Sparer-Freibetrag von 1.370,00 EUR/Jahr auf 750,00 EUR/Jahr fast halbiert. Wenn "der kleine Mann/ die kleine Frau" ein Paar Euro für seine/ihre Altersversorgung zurücklegt, was ja von der Politik dauernd gepredigt wird, wird er doch damit bestraft! Legt jemand z.B. 20.000,00 EUR zu 4 % Zinsen pro Jahr an, kommt er damit schon fast in den steuerpflichtigen Bereich - Abgeltungssteuer lässt grüßen! Der Staat kassiert von jedem Euro, der über 801,00 EUR pro Jahr an Erträgen anfällt, 25 % Abgeltungssteuer!

Meine Frage: Wie kann eine sozialdemokratische Abgeordnete/ein sozialdemokratischer Abgeordneter einem solchen (unsozialen!) Gesetz zustimmen? Wenn Sie mir dazu eine schlüssige Erklärung geben könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar!

Freundliche Grüße

Karl-Heinz Rohmann
Lauf a.d. Pegnitz

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SPD

Sehr geehrter Herr Rohmann,

Sie machen den unsozialen Charakter der Unternehmenssteuerreform an der Senkung des Körperschaftsteuersatzes und die Streichung des Sparerfreibetrages in Verbindung mit der Abgeltungssteuer fest. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen:

Sicherlich ist die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes vordergründig und für sich betrachtet eine Maßnahme, von der Kapitalgesellschaften profitieren. Aber es sind ja nicht nur die großen Kapitalgesellschaften, wie Sie zurecht mit dem "u.a." schon andeuten, sondern es sind auch viele Mittelständler, die diese Rechtsform gewählt haben! Und die Unternehmenssteuerreform besteht ja nicht alleine aus der Senkung der Steuersätze für Kapitalgesellschaften! Unser zentrales Ziel ist die langfristige Sicherung der Staatseinnahmen - oder anders ausgedrückt: die auch und gerade unter Gerechtigkeitserwägungen notwendige Sicherung eines fairen Anteils der Unternehmensgewinne an der Finanzierung staatlicher Aufgaben wie Forschung, Innovation, Familie und Bildung. Wir erreichen dies, indem Gewinne, die wirtschaftlich in Deutschland erzielt werden, auch wieder stärker als bisher in Deutschland versteuert werden und Verluste nicht steuermindernd nach Deutschland geholt werden. Fakt ist: Unser gegenwärtiges Regime der Unternehmensbesteuerung - vergleichsweise hohe nominale Steuersätze bei relativ schmaler Bemessungsgrundlage - verleitet dazu, dass in Deutschland erwirtschaftete Unternehmensgewinne steuerlich häufig ins Ausland verlagert werden. Damit sinkt der Beitrag der Unternehmensgewinne zur Finanzierung des öffentlichen Gemeinwesens in Deutschland. Diese Entwicklung kann nicht als gerecht bezeichnet werden. Die Beibehaltung des Status quo ist weder aus fiskalischen noch aus Gerechtigkeitsüberlegungen eine Alternative. Deshalb haben wir die nominalen Steuersätze gesenkt und gleichzeitig die Bemessungsgrundlage verbreitert, übrigens überwiegend zu Lasten international operierender, großer und ertragskräftiger Kapitalgesellschaften.

Wie das gesamte Reformpaket zur Unternehmensteuer 2008, so stellen auch die Regelungen zur Abgeltungssteuer einen Kompromiss zwischen den Partnern der Großen Koalition dar. Wir haben zentrale Forderungen durchgesetzt, wie die einheitliche und umfassende Besteuerung sämtlicher Kapitaleinkünfte, die künftig auch eine fristenunabhängige Erfassung der privaten Veräußerungsgewinne aus Kapitalanlagen einschließt.Die Einführung einer Abgeltungssteuer bedeutet eine Abkehr von dem bisher geltenden Grundsatz einer steuerlichen Gleichbehandlung sämtlicher Einkunftsarten. Ein Blick auf die tatsächliche Besteuerungspraxis zeigt aber, dass von einer gleichmäßigen Besteuerung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zu den anderen Einkunftsarten nicht gesprochen werden kann.

Die bei Auslandssachverhalten bestehenden Besteuerungslücken wurden in der Vergangenheit aufgrund des stetig wachsenden Kapitalabflusses aus Deutschland immer größer. Die Ursache für diese Verlagerung von Kapitalvermögen liegt vor allem darin, dass die wichtigsten europäischen Nachbarländer bereits seit geraumer Zeit Kapitaleinkünfte als eigene Einkommensart mit einem günstigeren Satz besteuern. Die pragmatische Entscheidung, Kapitaleinkünfte abgeltend an der Quelle zu besteuern, eröffnet die Chance, den Kapitalabfluss zu stoppen und künftig ein höheres Maß an Gleichbehandlung zu erreichen als bisher.

Durch die Einführung einer Abgeltungssteuer werden inländische Kreditinstitute ab dem 1. Januar 2009 dazu verpflichtet, von Kapitaleinkünften, die einem Steuerpflichtigen zufließen, einen Steuerabzug von 25 % (zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer) vorzunehmen und an das Finanzamt abzuführen. Mit dem anonymen Steuerabzug ist die Einkommensteuer des Steuerpflichtigen abgegolten.

Der Werbungskostenabzug wird pauschaliert durch einen sog. Sparer-Pauschbetrag, in dem der Sparer-Freibetrag und der Werbungskosten-Pauschbetrag aufgehen. Damit sind alle Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalanlagen abgegolten. Der Sparer-Pauschbetrag wird 801 EUR/ 1.602 EUR bei Ledigen/ zusammen veranlagten Ehegatten betragen. Um eine höhere Belastung von Bezieher niedrigerer Einkünfte durch die Abgeltungssteuer zu vermeiden, ist eine Veranlagungsoption vorgesehen.
Steuerpflichtige können - zu ihrem Vorteil - die Veranlagung ihrer Einkünfte aus Kapitalanlagen wählen, wenn ihr persönlicher Steuersatz unterhalb von 25 % liegt! Dies ist keineswegs unsozial!

Der Kompromiss ist damit aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD insgesamt gut vertretbar.

Beste Grüße
Andrea Nahles