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Frage von Lena M. •

Frage an Andrea Nahles von Lena M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Fr.Nahles,

Wir müssen zur Zeit in unserer Schule uns über den Bundestag informieren. Eine sehr wichtige Aufgabe, die wir zu erledigen haben, ist es, die Problemfelder heruauszufinden.
Daher wollten wir Sie um ihre Unterstützung bitten.
Es wäre interessant zu erfahren, wie der Tagesablauf eines Bundesabgordneten aussieht und wie folgend sein Gehalt bestimmt wird. Wir haben in Erfahrung gebracht, dass Abgeordnete ihre Gehälter selber bestimmen dürfen?
Wie können die Abgeordnete denn einschätzen, wie hart sie gearbeitet haben und auch ihr Gehalt verdienen ?

Da wir schon mehrere Artikel gelesen haben, haben wir die Auffassung, dass manchmal im Bundestag ziemlich lange diskutiert wird obwohl dieEntscheidung schon vorher eindeutig ist. Was denken Sie darüber?

Wir bitten Sie um Hilfe, Antwort und Verständnis,

mit freundlichen Grüßen,
Schülerinnen des Are-Gymnasiums.

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Antwort von
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Liebe Schülerinnen und Schüler des Are-Gymnasiums, liebe Lena,

Eure Frage war, nicht in drei Sätzen zu beantworten, so dass ich erst jetzt dazu komme. Dazu passt, dass Ihr nach dem Tagesablauf eines Bundestagsabgeordneten fragt. Ich kann hier nur für mich sprechen. Am Beispiel einer bereits vergangenen Woche will ich mein Programm beschreiben.

Am Montagmorgen, so gegen 5 Uhr mache ich mich in der Regel von Weiler auf nach Berlin. Um 6:45 Uhr hebt in Köln das erste Flugzeug Richtung Tegel ab. Dann geht es erstmal in die Parteizentrale zur wöchentlichen Konferenz des Parteipräsidiums. Die endet meist gegen 10:30 Uhr und es beginnt eine Viertelstunde später der normale Arbeitstag in meinem Abgeordnetenbüro. Dort bin ich nicht nur Abgeordnete, sondern auch Sprecherin der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages mit acht Mitarbeitern. Dieses Team unterstützt mich bei der Erarbeitung und Bearbeitung von Gesetzesvorlagen, aber auch bei den Antworten auf Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern aus der ganzen Republik, die mir ihre Sorgen und Nöte schildern.

Allwöchentlich führe ich Gespräche mit Vertretern der verschiedensten Institutionen, beispielsweise mit Vertretern des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der Caritas, den Berufsbildungswerken, einer Gruppe Sozialarbeiter, der IG Metall und andere. Sie alle formulieren ihre Wünsche in Bezug auf neue Gesetze, schildern ihre Arbeit, melden ihre Bedürfnisse an und Forderungen. Sie sind aber auch eine wichtige Unterstützung der Abgeordneten, denn sie erleben unmittelbar die Wirkung von Gesetzen in der Praxis.

Einen weiteren Schwerpunkt meiner Tätigkeit bilden die Verhandlungen mit den Fraktionen der anderen Parteien in den so genannten Ausschusssitzungen. Ich gehöre dem Ausschuss Arbeit und Soziales an, wo die Vertreter aller Parteien im Bundestag ihre Argumente für und gegen Gesetze und ihre Formulierungen vorbringen. Ihr könnt Euch vorstellen, das ist der Ausschuss, in dem am meisten diskutiert wird.

Zu meinen regelmäßigen Aufgaben gehört der Austausch mit den Fachleuten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Und nicht zu vergessen: die Sitzungen des Deutschen Bundestages, die man dann auch manchmal in der Zusammenfassung im Fernsehen sieht.

Wenn der Zeitplan es erlaubt, und weil wir eben in diesem Jahr auch wieder einige Landtagswahlen in Deutschland haben wie zuletzt in Niedersachsen und Hessen, fahre ich zu Wahlkampfveranstaltungen, zu denen ich von meinen Parteifreunden vor Ort eingeladen werde. Dazu kommen dann noch Interviews mit Vertretern der Presse und Besuchergruppen wie am 25. Januar eine Gruppe Eurer Schule.

Mein Arbeitstag im Büro endet meist zwischen 20 und 21 Uhr. Dann sitze ich noch und nutze die Zeit, mich in komplizierte Sachverhalte einzuarbeiten, indem ich Gutachten und Studien lese oder Gesetzentwürfe. Manchmal redigiere ich dann auch ein Interview. Um halb sechs morgens klingelt wieder mein Wecker.

Die Wochen in meinem Wahlkreis, wenn also keine Sitzungswochen in Berlin anstehen, nutze ich zum Kontakt mit den Institutionen und Firmenvertretern vor Ort. Ich lade Menschen aus meinem Wahlkreis zu Bürgersprechstunden ein, verfolge meine Aufgaben als Kreisvorsitzende der SPD im Kreis Mayen-Koblenz.

Ich komme zu Eurer zweiten Frage. Ja, es stimmt, Abgeordnete müssen ihre Gehälter selbst bestimmen. Das wird von vielen Bürgerinnen und Bürgern kritisiert und führt zu immer neuen Diskussionen. Das finde ich nur gerecht, denn wer ein öffentliches Amt wahrnimmt, muss sich auch Fragen nach dem Einkommen gefallen lassen. Die Debatte erhitzt die Gemüter jedoch oft derart stark, dass einige Tatsachen verdreht werden.

Ich möchte aber klarstellen: Abgeordnete verdienen mehr als viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Deshalb wäre es auch falsch, wenn sich Abgeordnete beklagen, die würden zu wenig verdienen. Kein Abgeordneter leidet an Armut.

Bei der Höhe der Diäten muss die Frage beantwortet werden: Was ist angemessen? Was ist angemessen für die Abgeordneten, die in unserem Land darüber entscheiden, ob deutsche Soldaten ins Ausland geschickt werden oder nicht? Was ist angemessen für die Abgeordneten, die über die Zukunft unserer Sozialpolitik, unserer Arbeitsmarktpolitik und unseres Steuersystems entscheiden? Ich persönlich finde in diesem Zusammenhang die Höhe der Abgeordnetenbezüge angemessen, insbesondere wenn man bedenkt, dass ein Abgeordneter keinen achtstündigen Arbeitstag hat, sondern auch bis spätabends und am Wochenende die Interessen seines Wahlkreises vertritt.

Und es entsteht eine weitere, oft diskutierte Frage: An welchen Gehältern sollen sich die Abgeordneten orientieren? Das Gesetz sagt, das Gehalt eines Bürgermeisters einer mittelgroßen Stadt (50.000 – 100.000 Einwohner) sei ein guter Bezugspunkt. Bislang lagen die Abgeordnetenbezüge jedoch klar unter dem Bürgermeistergehalt.

Gleichzeitig verdienen Abgeordnete weniger als viele Führungskräfte in der Wirtschaft. Und: niemand macht Politik, weil er oder sie Geld verdienen will. Denn ein Mandat ist immer nur ein Job auf Zeit, bei der nächsten Wahl kann alles wieder anders aussehen, und es gibt keine Garantie dafür, dass ein Abgeordneter danach wieder reibungslos in seinen alten Job zurückfindet. Es gibt genug Beispiele von Kollegen, die alles andere als „weich“ gefallen sind. Das habe ich persönlich von 2002 bis 2005 erlebt.

Ich komme nun zu Eurer letzten Frage, das heißt, zu Eurer Auffassung, dass manchmal im Bundestag lange diskutiert wird und ihr den Eindruck habt, dass die Entscheidungen vorher schon gefallen sind. Das stimmt nur sehr bedingt.

Natürlich werden die meisten Fachthemen in den dafür zuständigen Gremien und Ausschüssen vor einer Sitzung im Plenum beraten. Und meist gehen dann auch die Ausschussmitglieder der Fraktionen mit ihrer aus der Arbeit heraus entwickelten Meinung in den Plenarsaal. Manchmal sind sich die Ausschussmitglieder der verschiedenen Parteien sogar einig über das, was sie dann im Bundestag beschließen wollen. Dann geht die Abstimmung sehr schnell über die Bühne und nach außen entsteht der Eindruck, dass gar nicht wirklich beraten wurde. Oft aber eben auch nicht. Und weil nicht jeder Abgeordnete jedes Thema, das im Bundestag beraten wird, so gut kennt wie die Ausschuss-Mitglieder, tragen die einzelnen Abgeordneten der Fachgruppen ihre Argumente zu ihrem jeweiligen Fachgebiet noch einmal vor. Und in den Fällen großer Uneinigkeit kommt es dann natürlich zu manchmal recht hitzigen Debatten. Das gehört zu einer Demokratie.

Liebe Schülerinnen und Schüler, ich habe Eure Fragen hoffentlich ausführlich beantwortet. Es ist richtig, sich mit der Arbeit des Deutschen Bundestages zu beschäftigen. Ob Ihr zu dem Schluss kommt, dass Abgeordnete verdienen, was sie verdienen, mag ich nicht beeinflussen. Entscheidet selbst.

Beste Grüße

Andrea Nahles, MdB