Frage an Andrea Nahles von Marcus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Nahles,
mit Erschrecken habe ich die von Ihnen und anderen unterzeichnete Erklärung bezüglich Ihres Abstimmungsverhalten über das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zur Kenntnis genommen.
Art. 20 III GG lautet wie folgt: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsgemäße Ordnung [...] gebunden".
In Ihrer Erklärung stellen sie fest, dass Sie davon überzeugt sind, dass das BVerfG die Bestandteile des Gesetzes, die grundgesetzwidrig sind, für unwirksam erklären werde.
Sehen Sie, mein Problem ist folgendes:
Ich kann es nachvollziehen, wenn Abgeordnete dem Gesetz zustimmen, weil sie die Meinung vertreten, die dadurch verursachten Einschnitte in die Grundrechte seien verhältnismäßig und verfassungskonform oder dass Abgeordnete nicht die Zeit haben, alle Gesetzesvorlagen vor der Abstimmung zu lesen.
ABER: Wenn ein Abgeordneter - so wie u.a. Sie in diesem Fall - vorsätzlich für ein Gesetz stimmt, von dem er WEISS und von dem er ÜBERZEUGT ist, dass es grundgesetzwidrig ist, dann muss ich Ihnen sagen, erschüttert dies mein Vertrauen in unser gesamtes parlamentarische System aufs Tiefste. Das ist Schlicht ein gewollter Angriff auf die im Grundgesetz festgelegte Ordnung, auf die Freiheit der Bürger, die in diesem Staat leben.
Ich frage Sie: Mit welchem moralischen Recht wollen Sie eigentlich in Zukunft gegen Terroristen oder Hassprediger vorgehen, die unser freiheitliches System zu zerstören suchen, wenn sie selber Gesetze verabschieden, von denen Sie wissen, dass sie sich im Ergebnis auf eben diese Freiheit vergleichbar auswirken? Vor allem wenn Sie doch selber (zurecht) in Ihrer Erklärung feststellen, dass dieses Gesetz den Paradigmenwechsel in Richtung eines Sicherheitsstaates befördere.
Was ist das eigentlich für ein Staat, der seine Bürger unter Generalverdacht stellt? Wollen Sie in so einem Staat leben?
Mit freundlichen Grüßen,
Marcus Brüll
Sehr geehrter Herr Brüll,
ich habe in diesem Forum meine Positionen zur Vorratsdatenspeicherung deutlich gemacht. Ich habe eine Erklärung mit anderen Abgeordneten meiner Partei unterschrieben, die offensichtlich nicht Ihre Meinung trifft. Das ist ihr gutes Recht. Ich bin mir der Sensibilität dieses Themas sehr bewusst und bürgerliche Freiheitsrechte sind mir, wie allen anderen, die mir zu diesem Thema in diesem Forum schreiben, genauso wichtig. Mir Anderes zu unterstellen, weise ich zurück! Verantwortung habe ich überdies noch nie gescheut und wurde oft dafür gescholten, denn Verantwortung übernehmen, schließt regieren zu wollen ein!
Darüber hinaus möchte ich auch mal Eines klarstellen: Die Vorratsdatenspeicherung mit Stasimethoden gleichzusetzen, wie es auch hier auf abgeordnetenwatch mehrfach geschehen ist, ist m. E. ein Schlag ins Gesicht der wirklichen Opfer der Staatssicherheit. Diese mussten um ihr Leben fürchten, wurden in Gefängnissen psychisch wie physisch gefoltert und leiden oft heute noch unter den Folgen. Das mit einem Gesetz, das auch auf Grundlage von EU Beschlüssen formuliert wurde, gleichzusetzen, ist unangebracht.
Beste Grüße
Andrea Nahles