Frage an Andrea Nahles von Carl c. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Nahles,
ich möchte an die Frage des Herrn Jordan vom 10. April 2007 und Ihre Antwort darauf anknüpfen.
Zum einen vertreten Sie die Auffassung, dass durch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens das Recht auf einen Arbeitsplatz in Frage gestellt werde. Erlauben Sie mir dazu die ergänzende Frage, wo Sie im Rahmen der bestehenden Rechtslage das Recht auf einen Arbeitsplatz nicht nur theoretisch (schon da hätte ich meine Zweifel) sondern angesichts der nach wie vor äußerst hohen Arbeitslosenquote praktisch gesichert sehen.
Zum anderen haben Sie, wenn ich Sie richtig verstehe, Bedenken, dass die Höhe eines solchen Grundeinkommens vom Willen der jeweiligen parlamantarischen Mehrheit abhängig sein könnte. Worin sehen Sie hier die Verschlechterung zur jetzigen Situation, in der die Entscheidung über die Höhe von Arbeitslosengeld II und Grundsicherung ebenfalls dem Willen des Gesetzgebers und damit der jeweiligen Mehrheit bei Beachtung des nach dem Grundgesetz zu wahrenden Existenzminimums unterworfen ist?
Ich freue mich auf Ihre Antwort!
Hallo Herr Carlson,
das Recht auf einen Arbeitsplatz wird ja gar nicht mehr gesucht oder erwartet, wenn ein Grundeinkommen eingeführt würde. Es verschwindet in der pauschalen Summe, die jede und jeder erhalten soll. Selbst wenn es in den ersten Jahren noch Qualifizierung und Förderungen geben sollte, werden diese sukzessive verschwinden, so meine Prognose. Die Kämmerer und Finanzer und auch viele andere werden dafür Sorge tragen.
Ich sehe sehr wohl einen riesigen Unterschied darin, ob sich viele kommunale Träger, Argen, die BA, die Länder, der Bund und viele Eingilederungsorganisationen, Weiterbildungseinrichtungen, Reha und Suchtberatung (über alles kann man viel sagen, aber es gibt sie flächendeckend) bemühen müssen!!! weil das Ziel der Vollbeschäftigung und der Arbeit für alle besteht oder ob es das nicht mehr gibt. Oder glauben sie das das alles noch zusätzlich vorgehalten werden kann bzw. das gesellschaftlich dafür Mehrheiten da wären - ich nicht.
Im Grunde halte ich das bedingungslose Grundeinkommen nicht für emanzipatorisch, für mich ist es ein Exklusionsbeitrag, der Desintegration vielleicht materiell absichert, aber so stelle ich mir eine Gesellschaft nicht vor und ich glaube auch, dass die Menschen anders leben wollen. Mitten drin, mit Arbeit, mit einem anerkannten gleichberechtigten Leben. Wir streiten uns hier über den Weg, der eingeschlagen werden sollte, um das zu erreichen. Nur weil das jetzige System fehlerhaft ist, muss ein radikaler Systemwechsel nicht die Lösung sein, zumal von denen, die nicht Grundeinkommen, sondern Bürgergeld wollen und die sorry wenn ich das sagen muss, mehr Chancen auf gesellschaftliche Mehrheiten haben als die Befürworter von bedingungslosem Grundeinkommen.
Damit komme ich auch zu ihrer 2. Frage: Was glauben sie macht die Entkopplung der Transfers von der Erwerbsarbeit auf Dauer mit der Höhe der Transfers ? Es drückt sie. Ja, davon allerdings bin ich fest überzeugt. Warum? Politische Erfahrung. Macht- und Mehrheitsverhältnisse, Mentalität der Geber und Nehmer. Alg 2 ist eine bedarforientierte Grundsicherung, die einige schlechter gestellt hat, die aber auch 1 Mio Sozialhilfeempfänger bessergestellt hat, ich stelle dazu hier mal Zahlen ein dieser Tage. Die Leistungen für Alleinerziehende mit Kindern sind mir nicht ausreichend, Ich plädiere für einen höheren und unbürokartischeren Kinderzuschlag!!! Aber das Bild von der großen Gängelei ist mindestens stark überzogen.
Ich mache oft Bürgersprechstunden, bin bei meinen Argen vor Ort, rede mit Bürgermeistern, Sozialarbeitern und Vertretern der Wohlfahrtsverbände. Ich sammle Verbesserungsvorschläge und ich hab schon einige zusammen. Aber ich weigere mich in das große Geheule einzustimmen und auf eine vermeintlich einfachere und befreiende Lösung zu setzen. Wer das anfängt, bedenke das Ende - und bitte unter Realbedingungen. Utopien spinnen gut. Es ist aber nicht meine und auch nicht die der Mehrheit der Menschen, mit denen ich hier in meiner Heimat lebe. Fördern und Fordern ist richtig, das mit dem Fördern muss allerdings und da haben SIE Recht auch mehr als eine Luftblase sein. Ich bin daher froh , dass die reine Aktivierungsideologie der letzten Jahre passe ist und wir jetzt einen geförderten Arbeitsmarkt für schwerer vermittelbare schaffen. Das wir zugeben, wir schaffen das mit dem Hinweis auf den freien Arbeitsmarkt eben nicht alleine.
Gruß Andrea Nahles