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Frage von Georg Z. •

Frage an Andrea Nahles von Georg Z. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Nahles,

mit grossem Interesse habe ich in den letzten Monaten die Diskussion ueber
das Betreuungsgeld verfolgt.

Ich bin Diplom-Erziehungswissenschaftler und habe selber Untersuchungen zum Rollenverhalten, vor allem in Bezug auf fruehkindliche Bindungen zu den eigenen Eltern durchgefuehrt. Es gibt zahlreiche andere Erziehungswissenschaftler, die festgestellt haben, dass gerade in den ersten beiden Lebensjahren die intensive Betreuung durch die eigenen Eltern Grundlage fuer ein angemessenes Bindungsverhalten und fuer spaetere Vertrauensbildung in die eigene Person und fuer die Findung im sozialen Umfeld ist.

Ich moechte betonen, dass ich es sehr wohl respektiere, wenn Frauen oder Maenner ihre Kinder schon vor dem 2. Lebensjahr in eine Krippe oder in einen Kindergarten geben. Sie sind deswegen keine schlechten Eltern und ich bin mir sicher, dass auch sie nur das Beste fuer ihre Kinder wuenschen. Dennoch muss auch die besondere Leistung der Frauen und Maenner gewuerdigt werden, die sich entscheiden, die Kinder zu Hause intensiv zu betreuen und ihnen ihre volle Zuwendung und Zeit geben. Diese Leistung sollte auch von staatliche Seite mit grossem Respekt begegnet werden, weshalb eine finanzielle Foerderung angemessen ist, abgesehen davon, dass jede Foerderung fuer Kinder eine Investion in unsere Zukunft ist.

Meine eigene Frau ist auch Akademikerin und sie moechte freiwilig zwei Jahre unser Kind zu Hause betreuen. Sie ist deshalb kein "Heimchen am Herd", sie ist eine selbstbewusste Frau, die es nicht verdient hat, wie andere Frauen in ihrer Situation, aufgrund ihrer Entscheidung zu Hause zu bleiben, abfaellige Bemerkungen ueber sich ergehen zu lassen.

Warum haben Sie so wenig Respekt vor den Leistungen der Eltern, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause betreuen wollen? Ihre geplante Klage gegen das Gesetz zum Betreuungsgeld ist eine "Ohrfeige" fuer diese Eltern und die betreuten Kinder.

MfG,

G. Zull

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Zull,

ehrlich gesagt, finde ich Ihre Frage "Warum haben Sie so wenig Respekt vor den Leistungen der Eltern, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren zu Hause betreuen wollen?" unverschämt.

Niemand, aber auch niemand stellt die Leistungen von Kinderbetreuung zu Hause in Frage. Ich bin selbst Mutter und weiß, wie schwer es ist, sein Kind für den Job zurückzulassen und muss immer wieder feststellen, dass es vor allem Männer sind, die mir in dieser Debatte Solches unterstellen, wie Sie es erneut tun.

Vor allem Erzieherinnen und Erzieher setzen sich täglich für die Bildungschancen unserer Kinder ein und ich bin nicht damit einverstanden, dass wir in Deutschland ab dem Sommer nächsten Jahres viel Geld dafür ausgeben, dass Kinder keine öffentlich geförderte Kindertagesstätte besuchen. Mit diesen Mitteln könnten wir 166.000 neue Kitaplätze schaffen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass laut Statistischem Bundesamt noch mehr als 220.000 Plätze fehlen.

Das Betreuungsgeld verhindert frühkindliche Bildung: Vor allem für Familien, deren Kinder dringend Bildungschancen brauchen, schafft das Betreuungsgeld einen finanziellen Anreiz, den gebührenpflichtigen Kinderbetreuungsplatz gegen eine Geldleistung einzutauschen. Gerade für diese Kinder ist frühe Förderung wichtig. Das Betreuungsgeld hemmt Integration: Kinder mit Migrationshintergrund werden häufig zu Hause betreut. Sie brauchen aber gezielte Unterstützung beim Spracherwerb und beim Erlernen kultureller und sozialer Fähigkeiten. Das Betreuungsgeld hält Frauen vom Arbeitsmarkt fern. Bereits heute sind Frauen stärker armutsgefährdet als Männer. Das mag, auf Ihre Familiensituation Alles nicht zutreffen.

Aber das Betreuungsgeld ist auch schuldenfinanziert: Für 2013 veranschlagt die Bundesregierung 400 Millionen Euro für das Betreuungsgeld. 2014 sind 2 Milliarden Euro eingeplant. Diese Summen sind nicht solide, sondern durch Schulden gegenfinanziert. Es gibt Berechnungen vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, dass bereits 2013 zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen.

Und aus diesen Gründen bereiten wir von der SPD-Bundestagsfraktion eine Klage gegen das Betreuungsgeld vor dem Bundesverfassungsgericht vor. Wir wollen den Eltern in Deutschland Wahlfreiheit geben, wie sie ihre Kinder erziehen. Doch bei fehlenden Betreuungsplätzen haben Eltern keine Wahlfreiheit.

Sie mögen meine Argumente nicht teilen, aber ich verbitte mir, mir Respekt vor Elternarbeit abzusprechen.

Beste Grüße
Andrea Nahles