Frage an Andrea Nahles von Peter K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Nahles,
wenn auch spät möchte ich mich für Ihre Antwort auf meine Frage vom 17.9.2011 bedanken. Ja, Sie haben recht, ich stelle die Frauenquote in Frage. Und zwar aus einem simplen Grund: Eine wirksame, offen durchgeführte Frauenquote wird zwangsläufig zu Fällen führen, in denen Männern eine Einstellung/Beförderung einzig aufgrund ihres Geschlechts verweigert wird.
Eine Absage mit der Auskunft "Wir müssen Sie leider ablehnen, weil Sie ein Mann sind" verträgt sich nicht mit meinen Vorstellungen von Gerechtigkeit und dem Grundgesetz "Niemand darf wegen seines Geschlechts benachteiligt werden". Vor allem, wenn die symmetrische Auskunft "Wir müssen Sie leider ablehnen, weil SIe eine Frau sind" mit Recht zu Schadenersatzansprüchen bis zu 3 Monatslöhnen führt.
Die von mir angesprochenen anonymen Bewerbungen sollen ja gerade die Aufmerksamkeit des Arbeitgebers von Kriterien ablenken, die mit der Leistung des Bewerbers nichts zu tun haben, wie Herkunft, Alter oder eben auch Geschlecht. Was, wenn ein anonymes Auswahlverfahren einen 50jährigen Türken als besten Bewerber ergibt, der Arbeitgeber diesen jedoch nicht einstellen darf, weil er eine Frauenquote zu erfüllen hat?
Sie haben auch meine Frage nicht beantwortet, wieviel Prozent der Gleichstellungsbeauftragten in der Bundesrepublik Männer sind. Und ob sich an diesem Prozentsatz etwas ändern sollte, und wenn nein, warum nicht?
Warum ich meine Fragen einer Frau stelle? Weil ich gerne wissen möchte, ob es einen inneren Konflikt gibt zwischen der Frau, die für Fraueninteressen kämpft, und dem Mitglied der SPD, deren politisches Markenzeichen Gerechtigkeit ist.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Kanzow
Sehr geehrter Herr Kanzow,
auch Ihre weitere Nachfrage nach über einem Jahr wird nicht dazu beitragen, dass unsere Positionen sich annähern.
Die SPD setzt sich für gleiche Chancen und ein gleichberechtigtes, partnerschaftliches Miteinander von Frauen und Männern ein. Wir wollen, dass Frauen wie Männer ein selbstbestimmtes, eigenständiges und sozial abgesichertes Leben führen können. Grundlegend ist die Gleichstellung der Geschlechter im Erwerbsleben und die Herstellung der Entgeltgleichheit. Wir wollen die Rahmenbedingungen für gelebte Gleichberechtigung und Partnerschaftlichkeit in Familie und Erwerbsarbeit verbessern und tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern auch gesetzlich durchsetzen.
Da nun mal Fakt ist, dass der Anspruch unseres Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ für viele Frauen noch immer keine Realität ist. Obwohl Frauen bessere Bildungsabschlüsse machen als Männer, werden sie gerade in der Arbeitswelt benachteiligt: Sie sind in geringerem Maße erwerbstätig, als sie es sich wünschen. Sie erhalten selbst bei gleicher Qualifikation für die gleiche bzw. gleichwertige Tätigkeit deutlich weniger Lohn als ihre männlichen Kollegen. Führungspositionen in der Wirtschaft sind nach wie vor überwiegend in Männerhand, während die Arbeitswelt vieler Frauen durch Minijobs und Niedriglöhne geprägt ist. Frauen, insbesondere Alleinerziehende, haben dadurch schlechtere Chancen auf eine selbstbestimmte Lebensführung und sind häufiger als Männer von Altersarmut betroffen.
Insofern sind die Fraueninteressen ein grundlegender Bestandteil der Gerechtigkeitsfrage.
Beste Grüße
Andrea Nahles