Frage an Andrea Nahles von Clemens G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Nahles,
nach Herrn Dobrindts (CSU) Auffassung >> soll Griechenland nach einem ´geordneten Austritt´ mit Hilfe eines Marshall-Plans wirtschaftlich wieder aufgebaut werden und dann die Möglichkeit haben, in die Eurozone zurückzukehren << (ARD/ZDF). Tatsache ist, daß die einschlägigen Verträge ausschließen, daß die Union bzw. ein Mitgliedstaat für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen . . . von Mitgliedstaaten haftet (Art. 125 I AEUV), aber vorsehen, daß jedes Land bei Bedarf die Eurozone verlassen (und grds. in diese später wieder eintreten) kann (Art. 50 EU-Vertrag), und sachgemäße Hilfe (Marshallplan) war noch nie verboten.
Herr Laschet (CDU) konterte daraufhin mit der soweit auch von der Opposition(smehrheit) getragenen Sichtweise >> die Kanzlerin hat recht, wir wollen, daß Griechenland im Euro bleibt, wir wollen, daß es sich anstrengt, seine Reformen umzusetzen, das nutzt Deutschland und dieses Spekulieren (Austritt aus Eurozone) schadet Deutschland, wenn Milliardenkonsequenzen auch für uns da dran hängen << (ARD/ZDF). Tatsache ist, daß Milliarden € jetzt schon dran hängen, weil die Frau Bundekanzlerin sich mit tatkräftiger Unterstützung der SPD bereits über das Gesetz stellte (Art. 125 I AEUV).
Ihre Attacke gegen Herrn Dobrindt („Stammtischkasper“) wegen seiner (wohlgemerkt von den einschlägigen Gesetzen getragenen!) Griechenlandäußerungen mal vergessend, wonach i.ü. die Generalsekretärin der Oppositionspartei SPD dann eine „Schießbudenfigur im Opportunistenverein“ wäre, frage ich Sie, ob in Kraft getretene Gesetze auch zukünftig für die SPD keine Bindungswirkung haben werden, oder ob Sie (als Volksvertreterin) und Ihre Partei sich im Falle der anstehenden Verletzung von Art. 21.1 EZB-Satzung bzw. Art. 123 AEUV infolge Staatsanleihenankäufe durch die EZB (Draghi) für eine Klage beim EuGH einsetzen werden, zu dem den BürgerInnen der BRD und aller anderen EU-Länder der Rechtsweg nicht offen steht?
MfG
Clemens Gutsche
Sehr geehrter Herr Gutsche,
die SPD hat beide Entscheidungen (Fiskalpakt und ESM) mit großer Mehrheit mitgetragen. Ein „Ja“ der SPD zum ESM und Fiskalpakt ist jedoch mitnichten ein „Ja“ zur Merkelschen Politik, die es bislang nicht vermocht hat, die krisengeschüttelte EU dauerhaft zu stabilisieren.
Die Zustimmung der SPD zeigt vielmehr: Wir nehmen unsere Verantwortung für ein solidarisches und handlungsfähiges Europa auch als Oppositionspartei ernst und verfallen nicht in einen Euro-Populismus. Das kann sich Europa in dieser dramatischen Lage nicht leisten.
Es ist ein „Ja“ der SPD zu zwei Instrumenten gegen die Krise. Insbesondere der Euro-Rettungsschirm ist ein zentraler Beitrag zur Krisenbewältigung. Das Überleben eines wirtschaftlich erfolgreichen und unseren Sozialstaatsprinzipien verpflichteten Europa ist wichtiger als eine Blockadepolitik. Für uns ist aber auch klar: ESM und Fiskalpakt sind nur Etappenziele auf dem Weg zur Rettung der Eurozone. Für eine endgültige Lösung der Krise brauchen wir weitere Schritte in Europa.
In der aktuellen Debatte über die mit der Euro-Rettung verbundenen Kosten rückt der Mehrwert der Euro-Mitgliedschaft für die Bürgerinnen und Bürger leider zunehmend in den Hintergrund. Zu einer ehrlichen Bilanz gehört aber auch, Belastungen und Vorteile gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Wer das beherzigt, erkennt, dass Deutschland nicht der „Zahlmeister Europas“, sondern der größte Gewinner der Währungsunion ist. Etwa 40 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Eurozone, wodurch in Deutschland mehr als drei Millionen Arbeitsplätze gesichert werden. Im Jahr 2010 belief sich der positive Effekt der Währungsunion für die deutsche Wirtschaft auf 165 Milliarden Euro, das entspricht 6,4 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Zum Thema Griechenland verweise ich u.a. auf meine Antwort an Herrn Steinberg vom 25. Januar dieses Jahres in diesem Forum.
Beste Grüße
Andrea Nahles