Frage an Andrea Nahles von Kris K. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Nahles,
die SPD hat die Hartz-IV Regelungen vor geraumer Zeit beschlossen. Jetzt muss die aktuelle Regierung die Regelsätze aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung anpassen. Die SPD findet jetzt die Erhöhung der Regelsätze nicht ausreichend und spricht sich ferner gegen die Maßnahmen für die Kinder aus.
Ich bin eine selbständige Frau, die bisher mit dem verdienten Gehalt aus einer 40 Stunden Wochen recht zufrieden gewesen ist. Ferner habe ich auch noch nicht an den Geldern die ALG II Bezieher erhalten anstoß gefunden. Durch die Erhöhung um 5 Euro und die dazu angestoßene Diskussion, fing ich an mein Gehalt gegen das eines Hartz IV Empfängers hoch zu rechen. Ich kam auf das Ergebnis, dass ich besser meinen Job aufgebe und zu Hause bleibe, da ich so nämlich genauso viel erhalt.
Die Maßnahmen für Kinder finde ich gar nicht so schlecht, einziges Problem bei der Sache mein Kind und viele andere Kinder bleiben dabei leider auf der Strecke.
Meine Frage nun was ist sozial nicht gerecht fertigt.
Das ALG II Bezieher, das gleiche Geld erhalten wie jemand der den ganzen Tag arbeitet und somit keine Zeit für seine Kinder hat.
Das Mütter die Hartz IV bekommen zusätzlich noch Elterngeld erhalten sollen, wo gegen unser eins nicht mal weiß wie der eigene Haushalt finanziert werden soll.
Sieht die SPD-Spitze die Dinge eigentlich noch realistisch?
Mit freundlichen Grüßen
Kris Krüger
Sehr geehrte Frau Krüger,
nein, ich glaube nicht, dass Sie lieber zu Hause sitzen und HartzIV Empfängerin werden wollen. Gerade bei Ihnen in Mecklenburg-Vorpommern, und das wissen Sie, haben wir eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und jeder und jede, der/die Arbeit hat, wird sie wohl kaum freiwillig verlieren wollen. Insofern finde ich diese Bemerkung Ihrerseits sehr unrealistisch und auch falsch. Dieses Herziehen über die angeblich tolle Situation von HartzIV BezieherInnen finde ich unwürdig. Arbeit bedeutet Teilhabe - HartzIV bedeutet oft Ausgrenzung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in den Leitsätzen zu seinem Urteil eine transparente, nachvollziehbare, realitäts- und sachgerechte Ermittlung der Regelsätze gefordert. Dieser Vorgabe werden die umstrittenen Änderungen bei Hartz-IV nicht gerecht. Die Ermittlung der Regelsätze ist weder transparent noch nachvollziehbar und schon gar nicht realitätstauglich. Vielmehr wurde die Referenzgruppe im Vergleich zur letzten Regelsatzermittlung willkürlich um ein Viertel verkleinert und nicht alle BezieherInnen von Leistungen nach dem SGB II beziehungsweise XII aus der Referenzgruppe ausgeschlossen. Die Art und Weise der Herausrechnung einzelner Ausgabepositionen ist m. E. methodisch falsch und die Ermittlung der Kinderregelsätze erfolgt in vielen Ausgabepositionen auf einer statistisch nicht aussagefähigen Datengrundlage.
Darüber hinaus leidet das von Arbeitsministerin von der Leyen vorgeschlagene Bildungs- und Teilhabepäckchen unter mehreren Unzulänglichkeiten. Kindern wird zwar die Mitgliedschaft im Sportverein und der Musikschule bezahlt, nicht aber die Sportausrüstung oder das Musikinstrument. Hinzu kommt, dass echte Bildungsteilhabe und mehr Chancengleichheit aus meiner Sicht nur durch einen flächendeckenden Ausbau besserer Bildungsangebote erreicht werden können. Den Kommunen müsste Geld zur Verfügung gestellt werden, um z. B. den Kitaausbau umsetzen zu können. Außerdem muss das Augenmerk darauf gelegt werden, die Ganztagsschulen auszubauen, um alle Kinder individuell fördern zu können. Diese Probleme sind auch durch eine Bildungscard nicht zu lösen.
In der Debatte haben wir erneut gefordert, die Regelsätze verfassungsgemäß zu berechnen, Mindestlöhne einzuführen und ein echtes Bildungspaket für Kinder aufzulegen. Das nächste Wort hat nun der Bundesrat.
Die entscheidenden Fragen sind für uns:
Nach welchem Verfahren müssen die Regelsätze berechnet werden, damit die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes erfüllt werden?
Wie können die Chancen von Kindern auf Bildung und Teilhabe verwirklicht werden, etwa über den ernsthaften Ausbau der Bildungsangebote vor Ort?
Wie kann Menschen aus der Abhängigkeit von Transferleistungen geholfen werde, etwa durch mehr Qualifizierung, bessere Vermittlung und einen flächendeckenden Mindestlohn?
Und von all diesen Maßnahmen würden auch Ihre Kinder profitieren, m. E. müssen Kinder eh unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern die gleichen Chancen haben.
Beste Grüße
Andrea Nahles