Frage an Andrea Nahles von Manfred B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Nahles,
in einem interessanten Artikel in der "Zeit“ vom 18.12.09 beschreibt der Autor in aufschlussreicher Weise die Entstehung des heutigen Sozialstaats und dessen Wirkung, indem eine immer größer werdende Gruppe der sog. Unterschicht die Reichen immer reicher macht (z.B. Aldi, Lidl, Ikea, H&M), während die Mittelschicht, die diesen Sozialstaat trägt, kaum noch Luft zum atmen hat.
http://www.zeit.de/2009/52/Armutsdebatte?page=all
Alle Parteien haben in den vergangen Jahren mit ihren Entscheidungen zu diesem Übel beigetragen. Ich nenne hier bspw. nur die Gesetze zur Leiharbeit (dass Leiharbeit auch anders geht zeigen unsere Nachbarn Schweiz oder Frankreich) bzw. die immer größere und gewollte Ausweitung von Billiglohn (als Beispiel nur die Berufe der Zukunft in der Pflege wo deutlich weniger als 10€/Std bezahlt werden. Pflege ist uns also weniger wert als das Zusammenschrauben von Autos, das ist doch eine Schande) oder auch das komplizierteste Steuerrecht der Welt.
Auf welches zukunftsweisende Konzept oder welche Visionen kann die SPD in Sachen Sozialstaat verweisen, ohne dass wir jetzt das Gefühl haben müssen, das sind doch nur die alten Rezepte aus der Vergangenheit, die nachweislich nie funktioniert haben?
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
die SPD befindet sich derzeit in einem intensiven innerparteilichen Diskurs durch alle Gliederungen hindurch. Vorstand und Fraktion haben sich auf einer gerade zurückliegenden Klausur zu grundlegenden Fragen ausgetauscht. Nein, Herr Burger, nach so schwierigen Jahren, die hinter der SPD liegen, können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Und aus diesen Gründen haben wir nicht bereits lauter Konzepte fertig in der Tasche, sondern diskutieren nach wie vor. Das finde ich auch richtig und auch Sie wissen, dass dies notwendig ist. Grundlage dabei ist unserer Hamburger Programm.
Aber, die von Ihnen aufgeworfenen Probleme, sind natürlich richtig und beschäftigen auch die SPD. Die Aufnahme weiterer Branchen in das Arbeitnehmerentsendegesetz, um z. B. allgemein-verbindliche Mindestlöhne festlegen zu können, fordern wir dabei. Besonders vordringlich ist diese mögliche Mindestlohnregelung natürlich für die Leiharbeit. Dabei wollen wir einem Missbrauch von Leiharbeit, um Kernbelegschaften dauerhaft durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen, entgegentreten: Die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten über Zahl und Dauer der Leiharbeitsverhältnisse im Unternehmen sollten ausgeweitet werden. Wir bleiben bei unserem Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" und fordern, die konzerninterne Verleihung zu begrenzen. Beschäftigte in Leiharbeit sollen bei der Ermittlung der Schwellenwerte nach Betriebsverfassungsgesetz mitge-zählt werden.
Das sind nur einige unserer Vorstellungen. Das wird Ihnen sicher noch nicht reichen, aber geben Sie der SPD einfach auch mal ein bisschen Zeit. Auf unserer zurückliegenden Fraktionsklausur haben wir als Bundestagsfraktion einen Anfang gemacht, ein Konzept ("Die Spaltung bekämpfen: Wachstum, Arbeit, Teilhabe") für die Arbeitsgesellschaft von morgen zu entwickeln. Dieses finden Sie unter: http://www.spdfraktion.de
Beste Grüße
Andrea Nahles