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Frage von Bernd S. •

Frage an André Martens von Bernd S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Martens,

vorweg erlaube ich mir die Bemerkung, dass Sie sich als einzigster der Freiburger Kandidaten die Zeit nehmen und ALLE Anfragen beantworten was man von den übrigen Kandidaten leider nicht behaupten kann.

Doch nun zu meine Fragen:
Da die Bundesregierung mit dem Thema Datenschutz gerade in Verbindung mit der NSA zu keiner nachhaltigen Aktion fähig ist und statt dessen diesen unbeschreiblichen Skandal unter den Teppich kehren will, möchte ich gerne wissen welche Maßnahmen und Mittel Sie ergreifen würden um diese einzigartige Datenspionage zu unterbinden.
Sind Sie der Meinung, dass die derzeitige Bundesregierung zu wenig für den Schutz der Privatsphäre unternimmt und sich mit den, wie Frau Merkel es so passend formulierte, neuen Medien zu wenig auskennt um über deren Brisanz urteilen zu können?
Wie bewerten Sie die mögliche Gefahr eines Datenmißbrauches die von den deutschen Geheimdiensten ausgeht bzw. deren Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten?

Der Zensus 2011 zeigte in aller Deutlichkeit die Unfähigkeit eine vollständige Datenschutzkontrolle durchzuführen da zum Beispiel die Freiburger Erhebungsstelle von keinem Mitarbeiter des Landesdatenschutzes kontrolliert wurde da man nicht über genügend Personal verfügte.
Offensichtlich wurde der Datenschutz von der damaligen Landesregierung eher als ein leidiges "Muß" betrachtet, denn sonst wären vermutlich mehr Haushaltsmittel in den Landesdatenschutz geflossen.
Welche Priorität würden sie einen handlungsfähigen Landesdatenschutz zuweisen?

Da Präventivmaßnahmen noch niemanden geschadet haben erlaube ich mir die abschließende Frage ob Sie es befürworten würden wenn in allen Schulen regelmäßig zum Thema Datenschutz unterrichtet wird um zumindest ansatzweise eine Sensibilisierung zu erreichen.

mIt freundlichen Grüßen aus FR,
Bernd Schneider

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PIRATEN

Sehr geehrter Herr Schneider,

vielen Dank für die Frage und vor allem auch für das Lob. Mir ist die Plattform von Abgeordnetenwatch sehr wichtig, da sie dabei hilft, Mitbestimmung und Transparenz in der Politik zu realisieren.

Mit Ihren Fragen sprechen Sie natürlich ein Kernthema von uns Piraten an. Wir standen 2009 auch schon an den Infoständen und haben vor der zunehmenden Überwachung gewarnt. Damals hat man uns als paranoide Spinner abgetan. Jetzt weiß man, dass wir nicht paranoid waren - bestenfalls naiv, weil sich niemand wirklich das Ausmaß der Überwachung in dieser Form vorstellen konnte.

Die Bundesregierung unternimmt definitiv zu wenig. Die Empörung halte ich größtenteils für gespielt. Im Endeffekt ist nämlich das, was die NSA dort macht dasselbe, was unsere Regierung mit Vorratsdatenspeicherung, Bestandsdatenauskunft, Internetzensur, Fluggastdatenweitergabe und der Weitergabe von Bankdaten selbst möchte. Der BND arbeitet ja auch recht eng mit der NSA zusammen, nutzt eine ähnliche Software und tauscht Daten aus. Mir macht z.B. große Sorgen, dass ein Innenpolitiker wie Armin Schuster (CDU, Wahlkreis Lörrach) sagt, dass unsere innere Sicherheit von Informationen abhängen würde, die mit Mitteln gewonnen werden, die unserem Rechtsverständnis widersprechen. Wenn also die Regierung der Ansicht ist, wir benötigen die Datensammlung der NSA, dann ist die Empörung nicht echt. Ich hatte auf diese Aussage damals schon mit einem offenen Brief reagiert: http://andremartens.wordpress.com/2013/07/07/offener-brief-an-mdb-armin-schuster-cdu/

Oft höre ich das Argument, dass man doch sowieso nicht machen könne, weil die NSA für uns in Deutschland nicht greifbar sei. Das halte ich für falsch. Folgende konkrete Maßnahmen würde ich anstreben:
- Drastische Reduktion des Datenaustauschs von BND und NSA auf nur einzelne Fälle mit zielgerichteter Ermittlung, die einen Richtervorbehalt voraussetzt.
- Aufkündigung des europäischen Safe Harbor-Abkommens mit den USA.
- Auferlegung eines Moratoriums bei den Verhandlungen zur Freihandelszone. Die USA versprechen sich hiervon rund 1,5 Mio Arbeitsplätze. Das ist ein mächtiger Hebel für Forderungen bezüglich NSA-Aktivitäten.
- Anstreben eines neuen Datenschutzgesetzes, das Unternehmen wie Facebook verpflichtet, europäische Datenschutzstandards anzuerkennen, über die Weitergabe von Daten an Geheimdienste transparent zu informieren und das Strafmaß für Datenschutzverstöße auf 2% des Umsatzes festlegt.

Der Datenmissbrauch durch die Geheimdienste gefährdet unseren Rechtsstaat und die Demokratie. Bei vollständiger Überwachung ist nicht nur die Privatsphäre dahin, sondern auch der Quellenschutz für Journalisten, die Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Arzt und Patient und die Möglichkeit, anonym mit Selbsthilfegruppen (z.B. bei Alkoholsucht) in Kontakt zu kommen. Auch die Kommunikation zwischen Richter, Anwalt und Mandant ist nicht mehr vertraulich. Wirtschaftsspionage führt zu Nachteilen für unseren Wirtschaftsstandort. Zuguterletzt können wir auf Listen von Terrorverdächtigungen landen, ohne darüber informiert zu werden, ohne die Gründe verstehen zu können und vor allem ohne die Möglichkeit zu haben, sich dagegen zu wehren. Die Aktivität der Geheimdienste gehört stärker durch den Bundestag reglementiert und kontrolliert. Momentan sind das Institutionen, die sich selbständig gemacht haben.

Der Landesdatenschutz hat ein Problem: Er ist dem Innenminister, der eine grundsätzlich andere Zielrichtung verfolgt, untergeordnet. Das führt dazu, dass die Datenschützer eher selten Aktivitäten des Innenministeriums kritisieren. Dadurch würden sie nämlich ihre eigenen Aufstiegschancen gefährden. Der Landesdatenschutz muss komplett unabhängig von der Politik agieren können und braucht effektive Sanktionsmöglichkeiten bei Datenschutzverstößen. Insbesondere muss er genügend Mittel bekommen, um die Weitergabe der Daten der Firmen (z.B. Facebook und Drittunternehmen) untereinander hinterfragen und sanktionieren zu können. Auch muss er offen bürgerrechtsfeindliche Gesetzesinitiativen, die den Datenschutz aufweichen, als solche brandmarken können.

Zu den Schulen:
Ich möchte jetzt eigentlich nicht unbedingt den inflationär genutzten Begriff Medienkompetenz verwenden, aber wir brauchen Lehrer, die ihren Schülern kompetent vermitteln können, welches Risiko die bei der Veröffentlichung persönlicher Daten eingehen, was theoretisch aus den Daten gemacht werden könnte und wie sich die Schüler schützen können. Wir Piraten versuchen derzeit, die Wissenslücke über unsere kostenfreien Kryptoparties zu schließen. Diese Inhalte gehören aber in den Lehrplan.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen ausreichend beantworten.

Viele Grüße
André Martens