Frage an André Brie von Tabea W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Dr. André Brie,
aktuell wird Europa häufig als Festung bezeichnet. Wir beschäftigen uns gerade im Rahmen einer Politikwerkstatt mit diesem Thema.
Was uns interessiert:
Warum werden viele Einwanderer von Europa abgewiesen?
In dem nachfolgenden Artikel heißt es, dass es nun sogar zur Diskussion steht, an den EU-Außengrenzen "Flüchtlinge in Zukunft auch mit unbemannten Luftfahrzeugen zu jagen".
http://www.german-foreign-policy.com/de/extra/festung_europa/berichte.php
Ist dies wirklich nötig und warum wird die Einwandererzahl begrenzt?
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Beweggründe der EU für diese Politik?
Über eine baldige Antwort werden wir uns sehr freuen, dafür schon einmal im Voraus vielen Dank.
Freundliche Grüße,
A. L. u. T. W. des Gymnasium Ohmoors
Sehr geehrte A. L., sehr geehrte Tabea Winnemöller,
herzlichen dank für Ihre Anfrage.
Ja, ich meine auch, dass Europa eine Festung gegenüber den Ländern des Südens und vor allem gegen Flüchtlinge und Asylbewerberinnen und -bewerber ist. Erstens haben die Mitgliedsländer nicht begriffen, dass die EU ein Einwanderungsgebiet ist, vor allem sind sie nicht bereit das zu akzeptieren. Zweitens haben wir eine repressive Politik gegenüber Flüchtlingen, gegen die wir unsere Grenzen massiv aufrüsten (Schengenabkommen, Frontex und auch die von Ihnen genannten Maßnahmen) und die wir in menschenunwürdige Abschiebehaft und Flüchtlingslager stecken, obwohl die EU und ihre Mitgliedsländer sowie andere "westliche" Länder durch unsere Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik in vieler Hinsicht die Ursachen (Armut, Abhängigkeit, ökologische Krisen, kulturelle demütigung, Konflikte) zu verantworten haben.
Natürlich wäre eine unbegrenzte Einwanderungspolitik angesichts eigener sozialer Probleme, Arbeitslosigkeit, Defizite in unserer Bildungspolitik sehr schwierig, aber erstens geht es ja gar nicht um eine "unbegrenzte", denn die meisten Menschen möchten nicht auswandern und schon gar nicht flüchten, zweitens ist Einwanderungspolitik für den kulturellen und selbst für den wirtschaftlichen Reichtum unserer Gesellschaften eine große Chance, drittens gibt es durch die Genfer Flüchtlingskonvention auch klare Verpflichtungen für uns, die wir missachten.
Als Ursachen dieser Politik sehe ich die mangelnde Bereitschaft, Politik wirklich grundätzlich zu ändern, vor allem eine einseitige Orientierung an engen, egoistischen und kurzfristigen Wirtschaftsinteressen, aber auch einen unsäglichen Glauben daran, dass unser System und unsere Politik der Maßstab aller anderen auf dieser welt zu sein haben. Ich möchte Sie auch auf die von meiner Gruppe im Europäischen Parlament finanzierte Studie "Europa braucht eine neue Asylpolitik" hinweisen ( http://www.dielinke-europa.eu/uploads/media/studie7.pdf ).
Mit herzlichen Grüßen
André Brie