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Ali Al-Dailami
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Frage von Aymen M. •

welche Position vertreten Sie bezüglich der Einführung eines 365-Euro-Tickets (Jahresticket) für den öffentlichen Nahverkehr, und welche Finanzierungsmöglichkeiten sehen Sie dafür?

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Antwort von
BSW

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage. Eine Einführung eines 365-Euro-Tickets für den ÖPNV ist aus Sicht des BSW eine wichtige Maßnahme, um Mobilität für alle, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, erschwinglich zu machen, soziale Ungleichheiten abzubauen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Mobilität darf nicht vom Einkommen abhängen.

Ein 365-Euro-Ticket stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung eines solidarischen, günstigen und für alle zugänglichen ÖPNV dar, was ein zentraler Baustein für eine sozial gerechte Verkehrswende darstellt. Es senkt die Zugangshürden zu öffentlicher Mobilität und motiviert viele Menschen, das Auto stehenzulassen, was insbesondere in urbanen Gebieten Staus und Umweltbelastungen reduzieren kann. Ein 365-Euro-Ticket fördert außerdem die soziale Teilhabe, indem es Menschen mit geringem Einkommen bessere Möglichkeiten eröffnet, zu Arbeit, Bildung, Freizeitangeboten oder sozialen Kontakten zu gelangen. Doch mittel- bis langfristig sollte auch ein 365-Euro-Ticket „nur“ als Zwischenlösung auf dem Weg hin zur schrittweisen Einführung eines kostenfreien ÖPNV verstanden werden. Im 21. Jahrhundert sollte Mobilität genau wie Bildung, Gesundheitsversorgung oder flächendeckende Netzabdeckung als kritische öffentliche Infrastruktur und damit als Gemeingut verstanden werden.

Je nach Schätzungen und zugrunde gelegter Nutzung würde das 365-Euro-Ticket jährliche Kosten im mittleren bis oberen einstelligen Milliardenbereich verursachen. Diese Gelder werden freilich nicht in ein schwarzes Loch geschaufelt, sondern müssen einerseits als sinnvolle Investitionen in die sozial gerechte und ökologische Zukunft, und andererseits als breit gestreute Subventionen begriffen werden, die über Sekundäreffekte der lokalen Wirtschaft zugutekommen – wer weniger für Bus und Bahn zahlt, kann sich öfter den Gang zur Pizzeria um die Ecke oder neue Turnschuhe für die Kinder leisten. Die Finanzierung eines 365-Euro-Tickets erfordert natürlich eine klare politische Prioritätensetzung – bei der aktuellen und noch viel mehr der kommenden Merz-Regierung ist in dem Gebiet kaum etwas zu erwarten.

Die Finanzierung des Tickets kann über verschiedene Quellen sichergestellt werden. Einerseits könnten Gelder aus dem immer weiter aufgeblähten Militärhaushalt umgelenkt werden. Die stetig steigenden Rüstungsausgaben – insbesondere in Anbetracht des 2-Prozent-Ziels der NATO – könnten und sollten deutlich reduziert werden, ohne die Sicherheit zu gefährden. Weiter könnten klimaschädliche Subventionen (wie Dienstwagenprivilegien) abgeschafft werden. Auch sollten Wohlhabende und Großkonzerne durch eine progressive Vermögenssteuer oder die stärkere Besteuerung von Unternehmensgewinnen endlich zu einem faireren Beitrag zum Gemeinwohl beitragen. Die freigewordenen Mittel sollten in nachhaltige Infrastrukturprojekte wie den Ausbau und die Subventionierung des ÖPNV – und eben das 365-Euro-Ticket – fließen.

Der Weg in eine gerechte und ökologische Mobilität ist keine Frage des Geldes, sondern vor allem des politischen Willens – und auch der Bereitschaft, sich endlich mit den Auto- und Mineralöl-Lobbys anzulegen. Die finanziellen Mittel sind teils vorhanden und können teils durch Umschichtungen bereitgestellt werden – sie müssten nur endlich solidarisch und nachhaltig eingesetzt werden. Ein 365-Euro-Ticket ist ein erster wichtiger Schritt in Richtung.

Mit freundlichen Grüßen
Ali Al-Dailami