Frage an Alexandra Hiersemann von Gabriele E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hiersemann,
Bayern vertritt in Bezug auf die Übertrittsregelung auf weiterführende Schulen einen sehr restriktiven Weg. Die magischen Zahlen 2,33 und 2,66 basierend auf ca. 22 Leistungserhebungen, (welche noch von Intransparenz, wie unterschiedliche Anforderungsprofilen der Schulen, nach oben oder nach unten angepasste Notenschlüssel, ganz nach päd. Ermessen der Lehrkraft, etc. etc. geprägt sind) entscheiden über die "Erlaubnis" zu dem Übertritt auf eine weiterführende Schule. 14 andere Bundesländer sehen es liberaler und geben den Eltern das Recht der letzten Entscheidung. Sind bayerische Eltern so viel unmündiger als Eltern in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Bremen, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Saarland, NRW?
Nun meine Fragen:
Chancengleichheit:
Wie geht es mit Ihrem Verständnis für Chancengleichheit einher, dass bayerische Schüler die "Chance des Elternwillens" nicht bekommen. Gleiche Chancen für alle!
Gerechtigkeit:
Wie geht es mit Ihrem Verständnis für Gerechtigkeit einher, dass bayerische Schüler schlichtweg gegenüber anderen Bundesländern ungerecht behandelt werden.
Diskriminierung:
Wie geht es mit Ihrem Verständnis für Diskriminierung -Anti-Diskriminierung einher, wenn Schüler aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Bundesland anderes behandelt werden als Schüler anderer Bundesländer.
Ich bitte, Sie mir meine Fragen zu beantworten.
(Ausführungen über die Durchlässigkeit des bay. Schulsystems, ob, wie, warum, weshalb, es nicht sinnvoll ist, Eltern entscheiden zu lassen, Kulturhohheit, etc. sind nicht nötig.) Es geht mir - ich wiederhole mich - schlichtweg um Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Diskriminierung. Ich habe deshalb auch ganz bewusst die Überschrift Demokratie und Bürgerrechte gewählt.
Die Bürgerinitiative www.uebertrittbayern.de behält sich das Recht vor, Ihre Antwort zu veröffentlichen.
G.Elsin
Sehr geehrte Frau E.,
ich stimme Ihrer Kritik an der derzeit geltenden Übertrittsregelung, die in 14 von 16 Bundesländern nur noch empfehlenden Charakter hat, voll und ganz zu. Die verbindliche Übertrittsempfehlung hat neben der fehlenden Wahlfreiheit für Eltern und deren Kindern noch weitere negative Auswirkungen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass dieses Verfahren zu oft abhängig ist von der sozialen Herkunft und dem Geldbeutel der Eltern. So haben Kinder aus Akademikerhaushalten in Bayern eine sechsmal größere Chance aufs Gymnasium zu wechseln als Kinder aus Facharbeiterfamilien.
Eine Studie der Universität Würzburg aus dem Jahr 2015 zeigt zudem, dass fast jeder zweite bayerische Dritt- und Viertklässler erhöhte Stresswerte aufweist, weil die Ausgabe der Übertrittszeugnisse Anfang Mai das Lernen entscheidend dominiert. Statt Förderung steht Überprüfung im Fokus des Handelns von Lehrkräften, die sich immer auch vor Klagen von Eltern schützen müssen, die mit einzelnen Noten in einzelnen Prüfungen oder Fächern nicht einverstanden sind. Dieses Verfahren ist höchst unpädagogisch und bisweilen sogar kinderfeindlich.
Als Sozialdemokratin habe ich schon immer Position bezogen gegen diese Art der frühen Aufteilung unserer Kinder. Meine Fraktion hat sich diesbezüglich in den vergangenen Jahrzehnten eindeutig dazu geäußert. Die SPD-Landtagsfraktion und ich befürworten daher auch aktuell an Stelle der bisherigen verbindlichen Übertrittsempfehlung künftig eine ausführliche Grundschulempfehlung und ein professionelles Beratungsangebot zum Schulhalbjahr der vierten Grundschulklasse einzuführen. Damit wird sichergestellt, dass die gesamte Persönlichkeit des Kindes und nicht nur isolierte Noten bei der Wahl der folgenden Schullaufbahn berücksichtigt werden. Die letztendliche Entscheidung über die Schullaufbahn ihres Kindes treffen die Eltern. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf (https://bayernspd-landtag.de/workspace/media/static/gesetzentwurf-59df3e83068ea.pdf) haben wir im April 2017 in den Bayerischen Landtag eingebracht, den die CSU-Fraktion als auch die Fraktion der Freien Wähler aber leider abgelehnt haben.
Mit freundlichen Grüßen
Alexandra Hiersemann, MdL