Frage an Alexander Ulrich von Susanne B. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Ulrich,
mit neuen Gesetzen wollen Politiker mehr Organspender. Die potentiellen Spender sollen umfassend über die Organentnahme informiert werden. Wenn Sie unter http://www.faz.net/aktuell/politik/organspende-das-war-ein-katastrophaler-ausbau-von-ersatzteilen-12536010.html einen Erfahrungsbericht lesen, einer bei einer Organentnahme beteiligten Ärztin, werden Sie wahrscheinlich zu der in Kurzfassung wiedergebenen Einschätzung kommen:
"....Sie hatte einen Motorradunfall gehabt. Wahrscheinlich ist sie mit dem Kopf aufgeschlagen, so wurde eine Hirnblutung ausgelöst....die Leute, die kriegten erst mal gesagt: „Ihre Tochter ist hirntot...Der Oberarzt hat dann gesagt: „Ihrer Tochter nützen die Organe nichts mehr. Jemand anders kann mit den Organen aber weiterleben.... Wenn die Klinikangestellten in den Techniken der Gesprächsführung bewandert sind, dann kriegen sie jemand Unsicheren auch dazu, zuzustimmen...Sie müssen sich vorstellen: Sie haben da einen OP-Tisch mit einem Körper, der ist vom Hals bis knapp über dem Schambereich völlig geöffnet, ...Und dieser ausgeweidete Körper. Das hat mich sehr schockiert.
..Wenn einer der Angehörigen jemals so eine Explantation sehen würde und würde darüber sprechen oder es würde im Fernsehen gezeigt, dann gäbe es keine Einwilligungen mehr zur Organentnahme.
..Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand möchte, dass das mit seinem Körper passiert.
..ich habe beschlossen, dass ich kein Organspender sein möchte. Und konsequenterweise möchte ich auch keine Organe bekommen....".
Fragen:
Wenn Sie die potentiellen Spender über den Spendevorgang umfassend informieren, werden Sie keine freiwilligen Spender mehr haben. Wieso wollen Politiker ein Gesetz, dass dem in Ihrem Antrag formulierten Ziel offensichtlich zuwider läuft?
Werden Sie per Gesetz und Zwangsmaßnahmen, jeden zur Organ- und Gewebeentnahme heranziehen?
Mit freundlichen Grüssen
S. B.
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Frage. Eine Organspende ist ein Akt der individuellen Solidarität mit einem wildfremden Menschen, aber eben auch ein Dienst an der Gesellschaft. Insofern ist es wichtig, dass jede*r Bürger*in sich damit persönlich beschäftigt. Zur Frage, ob zuvor eine ausdrückliche Zustimmung zur Organspende gegeben werden muss, gibt es in der Fraktion DIE LINKE eine Diskussion und unterschiedliche Positionen. Ich persönlich befürworte die Stärkung der bestehenden Zustimmungsregelung und eine aktive Beteiligung der Passämter. Ich denke, dass es in den Krankenhäusern selbst sehr viele praktische, konkrete Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Bevor diese nicht ausgeschöpft sind, sollte man nicht an eine Widerspruchsregelung denken. Eine Studie aus der Universitätsklinik Kiel bekräftigt mich in meiner Entscheidung. Darin geht hervor, dass im Jahr 2015 von 27.258 Todesfällen in Krankenhäusern, die für eine Organspende infrage gekommen wären, überhaupt nur 2.245 – das sind gerade einmal 8,2 Prozent – an die zuständige Stiftung Organtransplantation gemeldet wurden. Und nur bei 3,2 Prozent kam es dann tatsächlich zur Entnahme von Organen. Diese Quote entwickelt sich im Gegensatz zu der Bereitschaft der Bevölkerung. Der Anteil der Menschen mit einem Organspendeausweis hat sich von 22 Prozent im Jahr 2012 auf 32 Prozent im Jahr 2016 erhöht. Aus diesem Grund ist es essenziell, dass wir uns um eine bessere Information und Beratung zur Organspende, aber vor allem auch um eine bessere Organisation in den Krankenhäusern bemühen.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Ulrich