Frage an Alexander Ulrich von George M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
ist es nicht an der Zeit, dass die Linke einen Dexit befürwortet ? Sind die Chancen, mehr Sozialismus zustande zu bringen, nicht höher in einer unabhängigen BRD ?
Die EU ist eindeutig nicht reformierbar (David Camerons vergebliche Versuche 2014, significante Reformen zustande zu bringen, fielen auf taube EU-Ohren und führten zum Brexit-Referendum), sie ist hochkorrupt*, undemokratisch**, unökologisch***, verletzt unser natürliches Recht auf den freien Handel, militarisiert sich (wohl gegen Russland)****, und hat einen eindeutig politischen Gerichtshof*****.
Die EU begann in den 50er-Jahren als Projekt zugunsten der Grosskonzerne.******
Laut einer Umfrage im Auftrag von Prof. H-W Sinn von 2016 befürworteten 34% der deutschen einen Austritt aus der EU*******. Hier ist ein sehr grosses Wählerpotenzial.
* seit nunmehr 20 Jahren (!) weigert sich der EU-Rechnungshof, die vorgelegten Bilanzen abzusegnen.
** das Parlament darf nur über vor der Kommission vorgelegte Gesetzesentwürfe debattieren. Die Kommissare werden ernannt und nicht gewählt.
*** 37% des Budgets geht an die Agrarbranche, darunter Multis mit ihren nützlingstötenden Pestiziden.
**** siehe etwa Macrons Rede zum Ende des 1. Weltkriegs, oder "EU takes step toward joint army" (euobserver.com/foreign/139854)
***** siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ischer_Gerichtshof#Kritik Roman Herzogs Kritik ist besonders zutreffend.
****** Verbindung zwischen der Gründung der Bilderberg-Gruppe 1955, deren treibende Kraft Prinz Bernhard der Niederlande (ja, der Reiter-SS und Lockheed-Mann) war, und der der EWG 1957 siehe https://www.prisonplanet.com/leaked-1955-bilderberg-docs-outline-plan-for-single-european-currency.html (Wikileals-Input). Der langjährige Verfasser der "Lombard"-Kolumne in der "Financial Times", C. Gordon Tether, schrieb ca.1979 in seinem Buch "The Great Common Market Fraud": "It (die EWG) derives its considerable firepower in the main from international Big Business interests".
*******
Sehr geehrter Herr Morton,
den Großteil Ihrer Kritikpunkte an der EU teile ich. Und ich muss auch zugegeben, dass ein „Dexit“ so manches Problem lösen könnte. Für das EU-Ausland würde es ökonomische Entspannung bedeuten, da der massive Druck gemildert würde, der derzeit von der deutschen Exportökonomie ausgehen würde. In Deutschland würde hingegen Druck erzeugt werden, die Binnennachfrage zu stärken, was den Gewerkschaften in die Hände spielt.
Trotzdem gehöre ich nicht zu den Befürwortern einer solchen Strategie. Der Expansionsdrang des deutschen Kapitals ist nicht erst mit der EU und dem Euro entstanden. Vielmehr haben Binnenmarkt und Gemeinschaftswährung ihn in geordnete Bahnen gelenkt. Ein zentrales Motiv der EU-Integration nach dem Zweiten Weltkrieg war es, Deutschland „einzuhegen“. 70 Jahre Frieden sprechen für sich. Nicht zuletzt deswegen hat die Forderung nach einem „Dexit“ auch nicht die geringste Chance auf Durchsetzung.
In anderen Ländern gibt es andere Kontexte, deshalb würde ich nicht widersprechen, wenn linke Parteien dort Exit-Forderungen unterstützen. Hier sollten wir solidarisch sein und uns für einen Rahmen einsetzen, der austrittswilligen Mitgliedsstaaten faire Konditionen gewährt.
Für Deutschland bin ich indes der Meinung, dass wir einerseits Forderungen erheben sollten, die den Schaden mindern, den der deutsche Exportdrang in der EU anrichtet (höhere Löhne, mehr öffentliche Investitionen im Inland etc.). Zum anderen sollten wir darauf setzen, das deutsche Gewicht in der EU zu nutzen, die europäische Politik sozialer, demokratischer und ökologischer zu gestalten. Die EU ist letztlich die Summe ihrer Mitgliedsstaaten und Deutschland der mächtigste davon. Entsprechend hat unsere Regierung ein Wörtchen mitzureden, wenn es um die Rechte des EU-Parlaments, die Fiskalregeln oder die Agrarpolitik geht.
Mit besten Grüßen,
Alexander Ulrich