Frage an Alexander S. Neu von Thomas M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Neu,
Sie werben hier bei abgeordnetenwatch.de damit, daß Sie immer mit "Nein" stimmen, wenn es zum Beispiel um Auslandseinsätze der Bundeswehr geht.
Sie vertreten mit Ihrer Partei ja im Bundestag aber nur eine Minderheit, und Ihre Stimmen werden wegen der großen Zahl der aktiven Terrorbekämpfer aus der Koalition schließlich seit bald 20 Jahren überstimmt.
Machen Sie es sich da nicht vielleicht etwas sehr einfach mit Ihrer gut gemeinten - rebellischen - Haltung zu Krieg, wenn Sie doch von vornherein Wissen, daß es überhaupt nicht auf Ihre Meinung ankommt, wie man auf außenpolitische Herausforderungen angemessen reagierte?
Und eine Frage zur Migration in Europa. Bedauern Sie es, daß jetzt nach Ungarn auch andere europäische Nationen, wie zum Beispiel Österreich, souveräne Maßnahmen getroffen haben, ohne auf die Türken zu hoffen, wie es Bundeskanzler Frau Dr. Merkel macht? Oder haben Sie auf Grund der schwierigen Sicherheitslage in den betreffenden Ländern, Verständnis für die mittlerweile eher abwehrende Haltung vieler Nationen gegenüber den sogenannten "Flüchtlingen"?
Sehr geehrter Herr Martini,
vielen Dank für Ihre Fragen.
zur ersten Frage:
Nein, DIE LINKE macht es sich nicht leicht, wenn es um politische Fragen geht - insbesondere nicht, bei Fragen von Krieg und Frieden. Auch Auslandseinsätze unterhalb der Kriegsschwelle - wobei das schwierig ist, zu klassifizieren, da der Kriegsbegriff selbst nicht eindeutig definiert ist - werden nicht einfach so abgelehnt. Die LINKE argumentiert das jeweils sehr präzise durch. Ein schwerwiegendes Argument ist, dass kein Einsatz den "Erfolg" gebracht hat, der im Bundestagsmandat als Ziel formuliert wurde - häufig ist sogar das Gegenteil eingetreten: Nämlich weitere Destabilisierung der Konfliktregion oder bestenfalls das Eintreten eines "frozen conflicts".
Die Argumente ließen sich noch erweitern: Interessenpolitik, Rüstungsgeschäfte etc.
Dass heißt., DIE LINKE entscheidet auf der Grundlage ihrer Überzeugung und nicht aufgrund einer "rebellischen Haltung". Und DIE LINKE. vertritt damit - insofern wir Meinungsumfragen ernst nehmen - zwischen 60-85 Prozent der Befragten, die Auslandseinsätze ablehnen. Wir haben damit die skurile Situation, dass 91,4 Prozent der Abgeordneten genau das Gegenteil von dem tun, was 60-85 Prozent der Menschen in diesem Land möchten.
Zur zweiten Frage: Ich habe immmer Verständnis dafür, dass Staaten ihre Sicherheit - auch innere Sicherheit schützen möchten. Dass ist ihre ureigenste Funktion im staatsphilosophischen Sinne. Ich habe auch auch Verständnis dafür, wenn Menschen vor Krieg und massiver Armut ihre Länder verlassen und in Europa Sicherheit und ein menschenwürdiges Leben suchen.
Die meisten Flüchtlinge kommen aus Ländenr und Regionen, die der Westen - um diesen Kollektivbegriff zu benutzen - mittels nicht-militärischer und militärischer Interventionen destabilisiert hat bzw. derzeit destabilisiert. Auch habe ich für Menschen Verständnis, die nach Europa kommen, weil die EU Handelsliberalisierungen mit den dortigen Regierungen beschlossen hat, die dafür sorgen, dass die nicht mit westlichen Unternehmen wettbewerbsfähigen Strukturen sowohl im landwirtschaftlichen als auch im industriellen Sektor endgültig zusammenbrechen, und die Menschen keine Lebensperspektive mehr haben. Das westliche Credo lautet: "Hauptsache wir machen gute Geschäfte". Darauf basiert auch Deutschlands Exportpolitik.
Und eines ist doch auch klar: Flüchtende Menschen sind keine besseren oder schlechteren Menschen als die Menschen in Deutschland und Europa.
Kurzum: Bevor wir die flüchtenden Menschen unter Kollektivverdacht stellen und sie ablehnen, bitte ich die Menschen in unserem Land, darüber nachzudenken, was WIR in Deutschland, was unsere deutsche und europ. Politik falsch macht. Warum wir die Lebensgrundlagen der Menschen außerhalb Europas und teilweise in Europa zerstören? Dass ist der zentrale Aspekt, der sich unter dem Begriff "Fluchtursachen" fassen lässt.
Dr. Alexander S. Neu, MdB