Alexander Meyer
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Frage von Jenny L. •

"Wiederaufbaufonds"

Hätten Sie dem EU-Eigenmittelbeschluss, a.k.a. "Wiederaufbaufonds", d.h. der gemeinsamen Verschuldung von Euro-Ländern und dem Nettotransfer von ca. 65 Milliarden Euro aus Deutschland in andere europäische Länder, ebenfalls (wie die weit überwiegende Mehrheit ihrer Parteikollegen) zugestimmt? Inwieweit sehen Sie mit einem solchen Abstimmungsverhalten der FDP das angebliche FDP-Ziel "solide Staatsfinanzen" verwirklicht, und wie sollte die EU in künftigen "einmaligen Notlagen" verfahren?

Alexander Meyer
Antwort von
FDP

Den Eigenmittelbeschluss sehe ich kritisch.

Ob ich mit der FDP-Fraktion zugestimmt hätte, kann ich nicht sicher sagen, da ich an dem dortigen Meinungsbildungsprozess nicht beteiligt war. Allerdings weiß ich, dass es auch innerhalb der Fraktion erhebliche Diskussionen gab.

Auch wenn ich absolut davon überzeugt bin, dass die Europäische Einigung das wichtigste Friedensprojekt unserer Zeit ist, dass wir als Deutsche gut daran tun, solidarisch und auch großzügig gegenüber unseren Nachbarn zu sein und das Deutschland mit am meisten vom gemeinsamen Markt profitiert, sehe ich den Wiederaufbaufond kritisch weil: 

  • ein riesiger schuldenfinanzierter Transfer von Kapital stattfindet und Deutschland überproportionale Rückzahlungspflichten übernimmt (netto fast 66 Mrd. €).
  • das Risiko für Deutschland noch weitaus höher ist, denn sollte ein anderes Land seinen Zahlungspflichten - aus welchen Gründen auch immer - nicht nachkommen, haftet Deutschland auch dafür
  • es meine Vorstellungskraft übersteigt, wie in den einzelnen Staaten die Verwaltung sicherstellen soll, dass die unfassbaren Geldmengen (Spanien 73 Mrd, Italien 81 Mrd, Griechenland 20 Mrd €) in sinnvolle Investitionen fließen und nicht zum großen Teil in der Verwaltung versickern, bei der organisierten Kriminalität landen oder in sinnlose aber politisch opportune Projekte gepumpt werden. 
  • die Befürchtung, dass die im Wiederaufbaufonds eingeführten Transferinstrumente nur den Einstieg in eine auf Dauer angelegte Transferunion sind inzwischen sehr konkrete Nahrung erhalten hat. Zitat aus dem Wahlprogramm der Grünen: "Dafür wollen wir das neu geschaffene Wiederaufbauinstrument verstetigen und in ein permanentes Investitions- und Stabilisierungsinstrument unter der Kontrolle des Europäischen Parlaments überführen." (Seite 87, letzter Absatz), wobei zugleich in der EU die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips und Einführung von Mehrheitsentscheidungen gefordert wird (Seite 213, Mitte), womit die Süd-Länder Deutschland z.B. bei der Neuverschuldung und Haftungsfragen überstimmen könnten. 
  • Transferzahlungen sich in der Vergangenheit nicht als wirksames Mittel zur Angleichung der Lebensverhältnisse erwiesen haben (das gilt sowohl für den Länderfinanzausgleich als auch für die Transferzahlungen von Nord- nach Süditalien)
  • es viele weitere Gründe gibt, die z.B. der Bundesrechnungshof in einer Analyse angeführt hat, die meine Bedenken gegen die konkrete Form des Wiederaufbaufonds nicht gerade ausräumen (Bericht nach § 99 BHO zu den möglichen Auswirkungen der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme der. Mitgliedstaaten der Europäischen Union)

Wäre ich Teil der FDP-Fraktion, würde ich jedenfalls versuchen, die hier angerissenen Bedenken sehr deutlich vorzubringen.

Vor allem würde ich versuchen, die Diskussion über diese Fragen noch viel stärker in die Öffentlichkeit zu bringen. Aber leider ist das Niveau der ökonomischen Bildung in Deutschland so traurig, dass eine ernsthafte Diskussion über derartige Themen nicht ganz einfach zu führen ist.