Frage an Alexander Graf Lambsdorff von Lothar S. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Graf Lambsdorff.
Auf Grundlage einer EU-Vorschrift müssen alle Kapitalgesellschaften bis hin zu Kleinstunternehmen die jährliche Rechnungslegung im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen. Wer nicht rechtzeitig oder unvollständig eingereicht hat, erhält vom Bundesjustizamt eine Ordnungsgeldandrohung zwischen 2.500 und 25.000 Euro. Ein Betrag dem es an jeder Verhältnismäßigkeit fehlt.
Für Kleinstunternehmen bedeutet die Veröffentlichung einen erheblichen bürokratischen und wirtschaftlichen Aufwand.
In Anbetracht dieser Schwierigkeiten hat EU-Kommissar McCreevy Ende September 2008 eine Initiative angekündigt, sog. kleine Kapitalgesellschaften („micro entities“) vom Anwendungsbereich des EU-Bilanzrechts auszunehmen. Gerade bei Kleinstunternehmen sei diese Vorschrift unsinnig und nicht zu vertreten.
Auf eine kleine Anfrage vom 10.12.08 (Drucksache 16/11120) gab die Bundesregierung bekannt, dass das Bundesamt für Justiz bisher 456.488 (!) Ordnungsgeldverfahren in Höhe von 2.500 Euro gegen Unternehmen eingeleitet hat, die nicht rechtzeitig oder unvollständig ihre Rechnungslegung eingereicht hatten.
In seiner Entschließung vom 18.12.08 zu Rechnungslegungsvorschriften für kleine und mittlere Unternehmen und insbesondere Kleinstbetriebe rief das Europäische Parlament die Kommission auf, einen Legislativvorschlag vorzulegen, der es den Mitgliedstaaten gestattet, Kleinstunternehmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 78/660/EWG auszunehmen.
Eine Entscheidung des Europäischen Parlaments liegt meines Wissens nach hierzu immer noch nicht vor.
Inzwischen versendet das Bundesjustizamt massenweise Vollstreckungsbescheide. Viele Kleinstunternehmen werden diese Maßnahme nicht überleben.
Meine Frage an Sie als zukünftiges Mitglied des Europaparlaments:
a) Unterstützen Sie „Kleinstunternehmen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen?
b) Wenn ja, würden Sie sich dafür einsetzen, diese Regelung auch rückwirkend gelten zu lassen?
Es grüßt
Lothar Schedereit
Sehr geehrter Herr Schedereit,
ich danke Ihnen für die Nachricht bezüglich der Rechnungslegungsvorschriften.
Wie Sie richtig feststellen, hat das Europäische Parlament mit dem Entschließungsantrag B6-0626/2008 die Kommission im Dezember 2008 aufgefordert, einen Vorschlag für eine Gesetzesänderung zu machen. Denn anders als im Deutschen Bundestag hat in der EU nur die Kommission das Initiativrecht. Bedauerlicherweise hat die Kommission bislang noch nichts vorgelegt. Wir erwarten, dass die noch nicht nominierte neue Kommission dieses wichtige Projekt baldmöglichst in Angriff nehmen wird. Schließlich ist eine entsprechende Änderung für Kleinstunternehmen extrem wichtig.
Als Liberale werden wir eine entsprechende Änderung der Richtlinie zugunsten kleiner Unternehmen aktiv unterstützen. Ob eine zukünftige Gesetzesänderung rückwirkend gelten kann, wird zunächst rechtlich geprüft werden müssen.
Die FDP setzt sich auch allgemein für den Abbau überbordender Bürokratie ein, die die Wirtschaft und die EU lähmt. Dies gilt z.B. für die dringend notwendige Reduzierung von Mitteilungs- und Berichtspflichten für kleine Unternehmen.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Alexander Graf Lambsdorff