Frage an Albert Rupprecht von Andreas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rupprecht,
mit Besorgnis sehe ich die neuesten Vorschläge von Herrn Schäuble zum "Kampf gegen den Terrorismus."
Ebenfalls bezweifele ich die Verfassungsmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung die durch die EU beschlossen wurde.
Wie stehen Sie zu diesen Punkten?
MfG
Andreas Hartmann
Sehr geehrter Herr Hartmann,
für Ihr Schreiben, in dem Sie sich nach meiner Meinung zu den Vorschlägen von Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble zur Terrorismusbekämpfung und zum Thema Vorratsdatenspeicherung erkundigen, danke ich Ihnen. Ich bemerke hierzu folgendes:
1. Zu den Vorschlägen von Innenminister Wolfgang Schäuble zur Terrorismusbekämpfung
Ich bin überzeugt, dass niemand, weder aus der CDU/CSU-Fraktion noch aus einer anderen Partei einen Polizei- oder Überwachungsstaat will. Ich warne deshalb davor, Sicherheit gegen Freiheit auszuspielen. Es ist nicht richtig, dass die Menschen besonders viel Freiheit genießen, wenn die Sicherheit besonders gering ist - Sicherheit und Freiheit sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Dass bei allen Maßnahmen des Staates zur Gefahrenabwehr die Grenzen des Rechtsstaates beachten werden müssen ist selbstverständlich. Ich bin daher überzeugt, dass die innere Sicherheit des Landes bei Innenminister Wolfgang Schäuble in besten Händen ist.
2. Zur Vorratsdatenspeicherung
Die Bundesregierung hat im Februar letzten Jahres der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zugestimmt. Sie hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan. In dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006 (BT- Drs. 16/545), der mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages angenommen wurde, wurde die Bundesregierung aufgefordert, dem Text der Richtlinie bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen (Nr. II. 1 der Beschlussempfehlung). Der Deutsche Bundestag hat in dem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei von mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist (Nr. I. 5 und 6 der Beschlussempfehlung).
Dem Deutschen Bundestag war dabei bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von rechtlichen Risiken ist (I. 13 der Beschlussempfehlung). Er hat sich dennoch dafür ausgesprochen, weil es sich insoweit um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat (das Instrument des Rahmenbeschlusses war innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nicht mehrheitsfähig) und es jedenfalls gelungen ist, in der Richtlinie Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) zu erreichen. Nur deshalb, weil die Bundesregierung diesen Weg der Richtlinie mitgetragen hat, hatte sie die Möglichkeit, diese Kautelen im Text der Richtlinie zu verankern. Der Richtigkeit dieser Entscheidung stehen auch nachträglich eingetretene Umstände nicht entgegen. Weder aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 2006 in Sachen Übermittlung von Fluggastdaten, noch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006 in Sachen Rasterfahndung lässt sich zwingend ableiten, dass die Richtlinie von der Form oder vom Inhalt her rechtswidrig wäre.
Die Richtlinie ist bis zum 15. September 2007 in nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung hat in dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung Regelungen vorgesehen, mit denen dies geschieht. Dieser Gesetzentwurf wird derzeit im Bundesrat behandelt. Anschließend ist die Befassung des Deutschen Bundestages vorgesehen. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung werden die oben genannten Vorgaben, mit denen sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird, eingehalten.
Mit freundlichen Grüßen
Albert Rupprecht, MdB