Sehr geehrte Frau Brugger Haben Sie ihr Magisterstudium mit einem Abschluss beendet.
Sehr geehrter Herr B.
vielen Dank für Ihre Nachricht. Die kurze und korrekte Antwort auf Ihre Frage lautet, dass ich mein Studium bisher nicht beendet, aber auch nicht abgebrochen habe. Sehr gern schildere ich Ihnen auch die Hintergründe.
Im Jahr 2009 hatte ich die große Ehre, mit damals 24 Jahren in den Deutschen Bundestag gewählt zu werden. Zu diesem Zeitpunkt habe ich im Magisterstudiengang Politikwissenschaft, Philosophie und öffentliches Recht an der Universität Tübingen studiert
Ich hatte mich bewusst auf den mehr als unwahrscheinlichen Listenplatz 11 beworben. Mir war wichtig, als damalige Vorsitzende der Grünen Jugend Baden-Württemberg ein Zeichen für die junge Generation zu setzen und die Partei mit einer Bewerbung zu unterstützen. Mein persönliches Ziel war, zunächst mein Studium abzuschließen sowie über die Erfahrung einer Kandidatur zu lernen und zu schauen, ob dies in Zukunft für mich ein Weg sein könnte.
Umso überraschter war ich, als ich nach dem Wahltag um vier Uhr morgens erfahren habe, dass ich nach dem Votum der Wähler*innen nun doch Abgeordnete des Deutschen Bundestags sein darf. Es war eine sehr überraschende Wendung in meinem Leben, die auch all meine Planungen bis dahin in Frage gestellt hat. Nach nun mehreren Legislaturperioden komme ich zu dem Schluss: es ist nicht nur eine große Ehre, sondern auch eine der wertvollsten und sinnstiftendsten Aufgaben, die ich mir vorstellen kann, in der Herzkammer unserer Demokratie mitwirken und an guten Lösungen für die Zukunft und die Menschen arbeiten zu dürfen. Auch vor diesem Hintergrund bin ich nach meiner ersten Wahl wieder angetreten - in meinem wunderschönen Wahlkreis Ravensburg.
Mein Studium war bei meiner Wahl in den Bundestag schon weit vorangeschritten, ich selbst finde es daher auch sehr bedauerlich, dass ich es noch nicht beenden konnte. Aber ich bin nicht jemand, die gerne aufgibt und ihre Ziele nur halb verfolgt. Ich fände es den Menschen nicht fair gegenüber, die auf unsere Politik vertrauen, mich nicht voll auf mein Mandat zu konzentrieren. In dieser Aufgabe sind 60- bis 80-Stunden-Wochen keine Seltenheit und so ein Pensum lässt es nicht zu, sich ernsthaft nebenher mit einem anspruchsvollen Studium zu beschäftigen, ohne Abstriche bei den Studienleistungen und den Aufgaben einer Abgeordneten zu machen. Ich bin auch nicht jemand, die ihr Studium dann nebenher und nachlässig betreiben kann, ich habe immer großen Wert auf sehr gute Leistungen gelegt.
Ich habe deshalb mein Studium nicht abgebrochen, sondern habe weiterhin vor, es abzuschließen. Auch wenn es angesichts meiner aktuellen Position als Stellvertretende Fraktionsvorsitzende wahrscheinlich bedeutet, dass dies erst nach meinem Abschied aus dem Bundestag möglich ist.
Da mittlerweile aufgrund der entsprechenden Hochschulreformen die Magisterstudiengänge ausgelaufen sind, habe ich meine bisherigen Studienleistungen in einen Bachelorstudiengang (Hauptfach Politikwissenschaft und Nebenfach Öffentliches Recht) überführt. Das bedeutet leider faktisch eine gewisse Rückstufung meiner bisherigen Leistungen. Ich fand es aber meiner Universität gegenüber fairer so, damit diese nicht den Verwaltungsaufwand betreiben muss, für mich weiter das Magisterstudium offen zu halten.
Mit freundlichen Grüßen
Agnieszka Brugger