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Agnieszka Brugger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jürgen D. •

Frage an Agnieszka Brugger von Jürgen D. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Brugger,

wie stellen Sie sich die Abschaffung des Ehegattensplittings bei kinderlosen Ehen konkret vor? Bedeutet dies, dass bei Zweitehen, bei denen bereits Kinder beider Partner aus erster Ehe vorhanden sind, ebenfalls das Splitting aufgehoben/verweigert wird? Was geschieht wenn die Kinder selbst berufstätig sind? Wird man ab dann ebenfalls abgestraft?
Haben Sie überhaupt eine Ahnung von realen Einkommen der unteren bis mittleren Schichten bei Ihren Wählern? .....

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Degen,

immer wieder werde ich – ob per Mail oder persönlich – von alleinerziehenden Müttern und Vätern darauf angesprochen, warum eigentlich ein kinderloses, gut verdienendes Ehepaar eine große steuerliche Begünstigung erfährt, während Alleinerziehende trotz der zahlreichen Herausforderungen, mit denen sie oft genug zu kämpfen haben, leer ausgehen. Wer das jetzige System betrachtet, findet auf diese Frage keine gute, keine gerechte Antwort.

Das jetzige Ehegattensplitting fördert in erster Linie die Ehe, aber nicht die Familie. Für uns stehen bei der Familienförderung vor allem die Kinder im Fokus und nicht der Trauschein. Es ist ungerecht, wenn dem Staat Kinder unterschiedlich viel wert sind. Es ist nicht hinnehmbar, wenn bei Kindern, die im Sozialbezug leben, das Kindergeld auf diese Leistungen angerechnet wird und andere von Kinderfreibeträgen und Ehegattensplitting in einem viel höheren Maße profitieren. Diese soziale Ungerechtigkeit wollen wir Grüne abschaffen. Deshalb muss die Ehe- und Familienförderung vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Wir brauchen eine Familienförderung, die das Existenzminimum von Kindern sichert und Teilhabe für alle Kinder gewährleistet. Ziel muss sein, dass Familien mit Kindern, die jetzt wenig oder kein Einkommen haben, sich materiell deutlich besser stellen.

In der Vergangenheit dominierte in vielen Ehen das Modell „männlicher Alleinverdiener“, was oftmals starke Einkommenseinbußen der Frauen mit sich brachte. In der Konsequenz bedeutete das für diese Frauen ein erhebliches Armutsrisiko, da sie ihre Existenz eigenständig nicht sichern konnten. Diese Nachteile werden durch das Ehegattensplitting nicht aufgehoben, sondern oft auch noch befördert. Gleichzeitig kommen die Milliarden, die der Staat jährlich für das Ehegattensplitting verwendet, eben nicht wirklich bei den Familien an, die Förderung am dringendsten brauchen.

Wir Grüne wollen eine gerechte Familienförderung, die Kinderarmut verhindert, und die Benachteiligung von Alleinerziehenden, unverheirateten Paaren und Paaren, die sich Erwerbs- und Sorgearbeit partnerschaftlich teilen, beendet. Wir wollen eine individuelle Besteuerung und das Ehegattensplitting durch eine gezielte Förderung von Familien mit Kindern und Alleinerziehenden mit Kindern ersetzen. Unser Ziel ist es dabei, die eigenständige Existenzsicherung von Frauen zu unterstützen, die ungleiche steuerliche Behandlung von heute gelebten Familienformen zu beenden und Frauen und Männer in ihrem Wunsch zu unterstützen, sich die Sorge für ihre Kinder und eine Erwerbstätigkeit partnerschaftlich zu teilen.

In der konkreten Umsetzung sieht das grüne Modell vor, dass für bereits Verheiratete das alte System mit Ehegattensplitting, Kindergeld und Kinderfreibeträgen erhalten bleiben soll. Viele Menschen haben ihr Lebensmodell darauf aufgebaut, daher wollen wir Grünen natürlich keine Unsicherheiten und Unwägbarkeiten schaffen. Bei neugeschlossenen Ehen soll eine Individualbesteuerung gelten. Die Reform des Ehegattensplittings soll mit einer Verbesserung bei den Leistungen für alle Formen der Familien mit Kindern im Haushalt verknüpft werden. So wird sichergestellt, dass Ehen mit Kindern keine Nachteile erfahren.

Gleichzeitig wollen wir auch weiterhin anerkennen, dass Paare in vielfältiger Weise Verantwortung füreinander übernehmen. Deshalb sollen Aufwendungen für den Lebensunterhalt zumindest in Höhe des Grundfreibetrags, sowie Beiträge zur Altersvorsorge oder Krankenversicherung, die für den oder die Partner/in verpflichtend zu übernehmen sind, steuerfrei gestellt werden.

Insofern wird mit unseren Plänen niemand abgestraft, sondern es werden viel mehr Menschen als heute – auch gerade die von Ihnen erwähnten unteren und mittleren Einkommen – profitieren. Für uns Grüne und auch für mich persönlich ist es ein wichtiges Anliegen, gerade die Nöte und Sorgen der Menschen, denen es in unserer Gesellschaft nicht so gut geht, zu berücksichtigen. Die Pläne sollten auch im Zusammenhang mit den anderen steuer- und sozialpolitischen Vorschlägen der Grünen gesehen werden, die ebenfalls zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen beitragen. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.gruene.de/programm-2017/a-bis-z/wir-teilen-den-wohlstand-gerechter.html

In diesem Sinne kann ich Ihre letzte Frage auch beantworten – ich kenne die Situation aus sehr vielen direkten Gesprächen mit Betroffenen, Rücksprachen mit vielen sozialen Einrichtungen und Expert*innen, aber ebenso auch aus meinem persönlichen Umfeld und sogar in meiner eigenen Lebensgeschichte.

Mit freundlichen Grüßen

Agnieszka Brugger

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