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Agnes Alpers
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Frage von Kai R. •

Frage an Agnes Alpers von Kai R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Frau Alpers,

in Kürze soll der ESM-Vertrag durch den deutschen Bundestag "abgesegnet" werden, in Wortlaut nahe dieses Entwurfs:

http://www.peter-bleser.de/upload/PDF-Listen/E-Mail-Info_Eurostabilisierung/Entwurf_Vertrag_ESM.pdf

Wenn dem so sein sollte, dann verstösst dieser Vertrag offensichtlich gegen das GG.

Hier kurz nochmals die wichtigsten Klauseln:

- das anfänglich vorgesehene Grundkapital i.H.v. €700 Mrd. (§8) kann jederzeit und beliebig erhöht werden (§10)
- die via ESM gewährten Kredite sehen einen Minizins von 2% für 3 Jahre Laufzeit vor (Anh. 3), so dass das Kapital schnell ausgeliehen werden

dürfte
- die Geberländer haben den ESM-Kapitalstock sofort wieder aufzufüllen (§36)
- "sofort" bedeutet dabei eine Frist von 7 Tagen, innerhalb derer das Geld "unwiderruflich und bedingungslos" (§9) einzuzahlen ist
- die ESM-Partner haften vollumfänglich gegenseitig für alle eingegangenen Kredite (§21): Dies ein eklatanter Verstoss gegen §123 des EU-

Vertrags / die non-bailout-Regel von Maastricht!
- dasselbe gilt für die Ermächtigung des ESM, die kompletten Staatsschulden einzelner Länder wegzumonetarisieren (§15)
- (§27, §31) gewähren allen Mitgliedern des ESM eine vollständige Immunität für ihre Handlungen und Befreiung von allen Gesetzen, Steuern und

Vorschriften: Auch dies ein eklatanter Verstoss gegen jedwedes Demokratieverständnis

In Inhalt und Duktus ist der ESM-Vertrag somit ein "Ermächtigungsgesetz", welches dem Deutschen Bundestag seine Budgethoheitsrecht

verfassungswidrig und dauerhaft entzög.

Sind Sie sich der Konsequenzen des ESM-Vertrages für die Zukunft des Deutschen Volkes bewusst? Nach §38, Abs.1 des Grundgesetzes sind Sie als

Abgeordneter des Deutschen Bundestages "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen

unterworfen" und entsprechend wüsste ich gerne, ob Sie persönlich als Abgeordneter dem ESM-Vertrag zustimmen werden oder nicht?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Rohrbacher,

herzlichen Dank für Ihre Fragen und Anmerkungen zum Europäischen Stabilisierungsmechanismus, kurz ESM. Da ich keine ausgewiesene Wirtschafts- und Finanzmarktexpertin bin, habe ich diese Antwort mithilfe meiner FraktionskollegInnen erstellt. Ich teile Ihre Besorgnis über die Entwicklung der letzten Wochen und Monate. Durch den eingeschlagenen Weg zur „Rettung“ des Euro, angeführt von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy, hat sich die Krise weiter verschärft. Dabei werden Verursacher der Krise weiter belohnt, während die Bürgerinnen und Bürger für unabsehbare Risiken einstehen müssen. Ganz nebenbei, wie sie völlig zurecht bemerken, untergräbt diese Politik das demokratische Selbstverständnis der Staaten.

Ich kann Ihnen versichern, dass DIE LINKE im Bundestag gegen den ESM stimmen wird. DIE LINKE ist damit die einzige im Bundestag vertretene Partei, die derartige Rettungspakete für die Banken konsequent abgelehnt hat und weiterhin ablehnen wird.

Durch den ESM werden den europäischen Steuerzahlern enorme Risiken aufgebürdet, während sich die Banken und Besitzer großer Vermögen Schritt für Schritt aus der Verantwortung ziehen. Wie dies geschieht, haben wir am Beispiel Griechenlands gesehen: Von den 78 Milliarden Euro, die bisher aus dem ersten „Hilfspaket“ an Griechenland ausgezahlt worden sind, flossen seit April 2010 rund 75 Milliarden direkt in die Hände von Banken und anderer privater Gläubiger. Da die Kredite der EU an unsoziale Kürzungsprogramme geknüpft sind, musste die griechische Bevölkerung für ihre angebliche „Rettung“ teuer bezahlen: Löhne, Renten und Sozialleistungen wurden brutal gekürzt, hunderttausende Arbeitsplätze wurden und werden vernichtet. Durch die Kürzungen ist die griechische Wirtschaft in den letzten zwei Jahren um neun Prozent geschrumpft, gleichzeitig ist die Verschuldung des griechischen Staates um weitere 50 Milliarden Euro gestiegen.

Auch die Kredite des ESM werden an unsoziale Kürzungsprogramme geknüpft sein und damit zur Umverteilung von Unten nach Oben beitragen. Auch die Kredite des ESM werden die Schuldenlast der betroffenen Staaten nicht verringern, sondern weiter erhöhen. Die Kredite des ESM haben nur den Sinn, private Gläubiger durch öffentliche Gläubiger zu ersetzen. Sollte es in Zukunft zu Staatsbankrotten oder Schuldenschnitten in der Eurozone kommen – was angesichts der zerstörerischen Kürzungsprogramme sehr wahrscheinlich ist –, werden die Steuerzahler zur Kasse gebeten.

Da der ESM unbegrenzt hohe Kreditsummen bewilligen kann, sind auch die Risiken für die Steuerzahler im wahrsten Sinne des Wortes unermesslich. Mindestens 500 Milliarden Euro an Notkrediten und Bürgschaften soll der ESM sowohl Staaten als auch Banken zur Verfügung stellen können, vielleicht auch eine Billion Euro oder noch mehr. In eiligen Fällen soll der ESM Kredite ohne Zustimmung des Europäischen Parlamentes oder des Bundestags vergeben dürfen. Der ESM kann auch zusätzliches Kapital von Deutschland einfordern, ohne dass jedes Mal der Bundestag zustimmen muss. Damit wird das Budgetrecht des Parlaments umgangen und ausgehöhlt. Das Recht, über den Staatshaushalt zu bestimmen, ist aber das wichtigste Recht eines jeden Parlaments. Wir sind daher der Ansicht, dass der ESM-Vertrag in eklatanter Weise die Demokratie in Europa verletzt. Auch mit der Verfassung dürfte er kaum vereinbar sein.

Der ESM wird weder vom Parlament noch von der Öffentlichkeit ausreichend kontrolliert. Das kleine Gremium aus Abgeordneten, das über die Geschäfte informiert werden soll, ist zu Verschwiegenheit verpflichtet, dasselbe gilt für alle Angestellten und Mitarbeiter des ESM. Nicht einmal nachträglich soll offengelegt werden, wer zu welchen Konditionen in den Genuss von Steuergeldern gekommen ist. Wir finden diese Intransparenz und Geheimniskrämerei im Umgang mit Steuergeldern unerträglich.

Europa braucht mehr Demokratie, nicht weniger. Aus diesem Grund fordert DIE LINKE, dass die Staaten der Eurozone endlich aus dem Würgegriff der Finanzkonzerne und Ratingagenturen befreit werden. Statt die Steuerzahler für die Verluste der Banken in Haftung zu nehmen fordern wir eine Direktfinanzierung der Staaten durch die Europäische Zentralbank. Dann wäre auch ein harter Schuldenschnitt möglich, ohne dass die Krise auf andere Eurostaaten überspringt. Zur Demokratie gehört auch Transparenz. Die Politik muss dafür sorgen, dass die Geschäfte auf den Finanzmärkten einfacher und durchsichtiger werden. Riskante Finanzprodukte und -geschäfte gehören verboten, Schattenbanken müssen reguliert und große Finanzkonzerne in überschaubare Einheiten zerlegt werden. Darüber hinaus sollten die Bilanzen des ESM und aller Bad Banks, für deren Risiken die Steuerzahler haften, vollständig offengelegt und ausreichende Mittel für deren Überprüfung durch unabhängige Experten bereitgestellt werden.

Kurz: Meine Partei und ich fordern ein Ende dieser „Krisenpolitik“. Wir kämpfen für eine gerechtere Besteuerung von Vermögen, um die Schuldenlast in Deutschland und Europa zu minimieren. Zudem muss das Finanzsystem in öffentliche Hand überführt und unter demokratische Kontrolle gestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen,

Agnes Alpers