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Frage von Dieter L. •

Frage an Adrian Gabriel von Dieter L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Kandidierende,

in unserer Gesellschaft macht sich eine starke Politikverdrossenheit breit, die das Land spaltet. Auch dadurch werden viele Menschen dem rechten Lager zugeführt, das gefährdet unsere Demokratie im Kern. Wie wollen sie dieser Situation begegnen?

MfG, D. L..

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Sehr geehrter Herr L.,

die Ursachen von "Politikverdrossenheit" sind vielfältig. Zum einen liegt es an allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen, zum anderen aber auch an der Politik selbst, sowie an der Haltung der Menschen Politik gegenüber. Ich werbe dafür, dass Menschen sich informieren und bestenfalls engagieren, statt anderen das Feld zu überlassen. Wahlen ändern zwar nicht alles, aber sie sind wirklich nicht unwichtig. Zudem muss man auch sagen, dass in den letzten Jahren die Politisierung wieder zugenommen hat, was wir auch an zahlreichen Eintritten in die Partei spüren. Wir hatten (in Hessen und Wiesbaden) noch nie soviel Mitglieder und Aktive in der LINKEN.

Zur kurzen Erklärung: Allgemein entwickeln sich die "westlichen Gesellschaften" so, dass sie im Schnitt relativ alt (Deutschland 47 Jahre!) und stark individualisiert sind. Die Bindung an soziale Milieus und große Organisationen hat stark abgenommen. Wurde man noch vor 50 Jahren in eine katholische oder protestantische, bürgerliche oder proletarische, CDU oder SPD usw. Umgebung hinein geboren, haben Kirchen, Gewerkschaften und die "Volksparteien" heute nicht einmal mehr die Hälfte ihrer ehemaligen Mitglieder. Individuelle Interessen und Lebensentwürfe rücken in den Vordergrund. Ich denke das betrifft auch stark die Politik bzw. führt auch zu Entpolitisierung.

Was trägt die Politik selbst zur Politikverdrossenheit bei? Erstens hat die Glaubwürdigkeit von Politik unter diversen Skandalen und dem Bruch von zentralen Wahlversprechen gelitten. Wenn Menschen zum Beispiel eine Partei wählen, die vor der Wahl verspricht Renten nicht zu kürzen und die Bildung auszubauen und dann macht diese Partei nach der Wahl exakt das Gegenteil, dann erzeugt das zurecht "Verdrossenheit". Zum zweiten hat die neoliberale Politik der letzten 25 Jahre dazu geführt, dass Politik ihren eigenen Handlungsrahmen stark beschnitten hat. Da ehemals staatliche Aufgaben gekürzt oder privatisiert wurden, können sie durch Wahlen und politische Entscheidungen kaum noch verändert werden. Der angebliche Sparzwang tut sein übriges, weil z.B. auf kommunaler Ebene fast nur noch gekürzt, statt gestaltet werden kann. Sprich: Menschen haben nicht ganz zu unrecht das Gefühl, dass bei Wahlen das blaue vom Himmel versprochen wird, ohne dass sich danach wirklich etwas ändert.

Als LINKE versuchen wir und versuche ich dem entgegen zu stellen: Politik und Demokratie sind mühsam, aber aller Mühe wert! Unsere gesellschaftlichen Probleme (Soziales, Umwelt, Frieden) lassen sich nicht individuell oder durch Enthaltung lösen. Und Wahlenthaltung ist keine Option, weil man damit ja noch die großen stärkt. Wer bei der Bundestagswahl überhaupt keine Partei oder Person glaubwürdig findet, der sollte mindestens seinen Stimmzettel ungültig machen und abgeben. Das ist wenigstens eine Haltung und nimmt Einfluss. Ich selber werbe aber dafür: Bringen sie sich ein! Nehmen Sie Einfluss auf Gesellschaft, wenn nicht in Parteien, dann über andere politische oder gesellschaftliche Organisationen. Es kann doch nicht sein, dass Nicht-Wähler und Nicht-Wahlberechtigte in unserer Demokratie den (mit Abstand) größten Teil ausmachen.

Ich werbe zudem für gesetzliche Veränderungen bei der Willensbildung durch mehr direkte Demokratie (auch endlich durch elektronische Mitbestimmungsverfahren) und eine Reform des Wahlrechtes.

Mit freundlichen Grüßen

Adrian Gabriel - DIE LINKE. Wiesbaden