Wie werden Sie am 07.04.2022 beim Thema "Impfpflicht" abstimmen und wie begründen Sie ihr Abstimmverhalten?
Sehr geehrter Herr Ahmetovic,
wie fast alle deutschen Staatsbürger bewegt mich die Frage, wie sich die von mir gewählten Vertreter im Bundestag zum Thema Impfpflicht am 07.04.2022 positionieren. Nach meinem Verständnis stehen am 07.04. folgende Varianten zur Abstimmung:
- eine allgemeine Impfflicht ab 18 Jahren
- eine allgemeine Impfpflicht ab 50 Jahren
- keine Impfpflicht
- Enthaltung des Bundestagsabgeordneten
Welche dieser Varianten werden Sie unterstützen und wie begründen Sie dies?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr M.
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gerne beantworte.
Ich habe im Wahlkreis zwei Onlineveranstaltungen zu dem Thema Impfpflicht durchgeführt. Im Februar hatte ich Dagmar Schmidt, MdB zu sozialpolitischen Fragestellungen zu Gast und Ende März stand Dirk Wiese, MdB dem Wahlkreis noch einmal zu juristischen Fragestellungen Rede und Antwort. Die Diskussionen wurden jeweils von einem Vertreter des Hausärzteverbandes und der Ärztekammer Niedersachsen fachlich begleitet.
Für die Analyse der wissenschaftlichen, juristischen sowie ethischen Grundlagen einer Impfpflicht liegt der Schlüssel in der Vollständigkeit und vor allem Richtigkeit der Informationen rund um die aktuelle Infektionslage, die zu erwartende Entwicklung der Pandemie mit und ohne Impfpflicht sowie die Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Impfung.
Hier liegt gleichzeitig die größte Herausforderung, denn es hält sich hartnäckig die Fehlinformation, dass die in Deutschland zum Einsatz kommenden Impfstoffe nur eine „Notfallzulassung“ hätten, was eine Fehlinterpretation der „bedingten Zulassung“ ist.
Weltweit haben Ärzt:innen aber auch Patient:innen wichtige Daten zum optimalen Einsatz der verschiedenen Impfstoffe beigetragen. Die Impfempfehlungen sind anhand dieser wichtigen Daten mehrfach angepasst worden. Nach weltweit 11 Mrd. verabreichten Impfdosen, sind die Chancen und Risiken sehr weitreichend erforscht. Die bedingten Zulassungen wurden aufgrund der positiven Erfahrungen im Herbst 2021 für alle Impfstoffe regulär verlängert.
Auch wenn die Impfungen nicht zuverlässig vor der Infektion mit der aktuell vorherrschenden Omikron-Variante schützen, sind die zum größten Teil milden Verläufe und ist die Beherrschbarkeit der Pandemie durch den Gesundheitssektor in Deutschland ein Erfolg der bisherigen Impfkampagne. Die Personen ohne Impfung sind in den Statistiken des RKI in den verschiedenen Kategorien von symptomatisch bis verstorben deutlich überrepräsentiert, teils um ein vielfaches des zu erwartenden Anteils der Erkrankten. In Präventionsarbeit liegt wenig Ruhm, da eine abgewendete Gefahr verborgen bleibt, doch Daten aus anderen Staaten lassen erahnen, wie wir dastünden, wenn sich weniger Menschen für eine Impfung entschieden hätten. Die Entwicklung der Pandemie bei uns im Vergleich mit der Entwicklung in Hongkong aus den letzten Wochen ist diesbezüglich besonders aufschlussreich. Dass die Impfung nicht alleine die Pandemie beendet und keinen hundertprozentigen Schutz bietet, ist kein Argument gegen eine Impfung. Wir werden auch weiterhin einen Mix aus Maßnahmen und vor allen Dingen viel Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger brauchen.
Ich habe die Entscheidung zu meinem Stimmverhalten mehrere Monate durchdacht, habe viele Expert:innen kontaktiert und bin auch von vielen Bürgerinnen und Bürgern sowie Interessenverbänden direkt kontaktiert worden.
Gerade aus der medizinischen Hochschule, der Hausärzteschaft sowie von gepflegten und pflegenden Personen kamen sehr eindrückliche Apelle für eine Impfpflicht.
Die Autor:innen der verschiedenen Gesetzentwürfe haben einen Kompromiss erarbeitet, der mit der jetzigen Entscheidung zunächst nur eine Impfnachweispflicht ab 60 vorsieht. Für die Altersgruppe 18 bis 59 kann zunächst ein Beratungsnachweis den Impfnachweis ersetzen. Erst im September wird der Bundestag darüber beschließen, ob auch für diese Altersgruppe eine Impfpflicht erforderlich sein wird. Wenn wir bis dahin eine gute Grundimmunisierung erreicht haben und die Pandemie in die endemische Phase übergegangen ist, wird für diese Altersgruppe keine Impfpflicht notwendig sein. Es ist aus meiner Sicht ein vernünftiger Kompromiss, der den verschiedenen Schutzbedürfnissen der Altersgruppen Rechnung trägt und der einer tiefer gehenden Aufklärung der Fakten über die Impfung den nötigen Raum gibt.
Ich habe mich daher inzwischen dafür entschieden, dem oben genannten angepassten Gesetzentwurf zuzustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Adis Ahmetovic, MdB