Adel Ben Fredj
FDP
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Frage von Frank B. •

Frage an Adel Ben Fredj von Frank B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Ben Fredj,

mich würde sehr interessieren, wie Sie die momentane Situation in Nordafrika einschätzen.

Gerade zur aktuellen Lage in Ägypten würde mich interessieren, wie Sie die Chancen einer demokratischen Regierung sehen.

Da gerade Hamburg als "Tor der Welt" gilt und sehr viele Nationalitäten beheimtatet, bin ich auf Ihre Einschätzung zu diesem Thema sehr gespannt...

Würde mich über eine Antwort freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Herr Baumann

Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Baumann,
gerne beantworte ich Ihnen diese Frage.

Zunächst lassen Sie mich erklären, daß ich in Tunesien geboren bin und ein großer Teil meiner Familie dort lebt. Darum berühren mich die Entwicklungen in Tunesien, Ägypten und weiteren nordafrikanischen Ländern wirklich sehr. Ich empfinde große Bewunderung und sehr großen Respekt für diese Menschen, die für ein menschenwürdiges Leben kämpfen und dabei ihr eigenes Leben riskieren. Andererseits kommen diese Ereignisse für mich aber nicht so überraschend. Die Selbstverbrennung eines jungen tunesischen Akademikers, der auf der Straße Obst verkaufen mußte, um die Existenz seiner Familie zu sichern und deshalb von Polizisten zusammengeschlagen wurde, war nicht zufällig der Auslöser für den Umsturz in Tunesien und den darauf folgenden Aufständen in anderen nordafrikanischen Ländern.
Tiefe Verzweiflung über Arbeits- und Perspektivlosigkeit haben insbesondere bei jungen Menschen das Faß zum Überlaufen gebracht. Der dringende Wunsch nach Freiheit und den damit verbundenen Menschen- und Persönlichkeitsrechten ist und war immer bei den dort lebenden Menschen tief verankert. Dies ist nicht anders als in Europa oder anderen westlichen Ländern. Die Behauptung, Araber oder muslimische Menschen wollen gar keine Freiheitsrechte und könnten damit auch gar nicht umgehen, habe ich immer als Unsinn betrachtet.
Deshalb bin ich auch überzeugt, daß eine Demokratisierung dieser Länder möglich ist und auch kommen wird. Der Übergang zur Demokratie wird zwar ein langer Prozeß werden, aber letztendlich werden die Menschen ihre so bitter erkämpften Freiheitsrechte nicht mehr aufgeben wollen. Islamistische oder andere extremistische Gruppen werden dementsprechend auch keine Chancen auf parlamentarische Mehrheiten haben. Wer hätte den Tunesiern oder Ägyptern eine solche gewaltfreie Revolution (die Gewalt ging in den letzten Tagen immer nur von den Polizeikräften aus, sie sollten im Auftrag Ben Alis bzw. Mubaraks Terror und Chaos bewußt provozieren) überhaupt zugetraut ? Sollte man diesen Menschen nun nicht wenigstens vertrauen, daß sie demokratiefähig sind ?
Im übrigen sieht man doch am Beispiel Tunesiens, daß es zu funktionieren scheint: Die neue Übergangsregierung besteht mit Ausnahme des Ministerpräsidenten nur aus neuen Leuten, die nicht dem alten Regime angehörten. Diese neue Regierung hat mittlerweile politische Gefangene entlassen, sie hat Schulen und Universitäten wieder geöffnet und wieder ein normales Leben ermöglicht. Die Ausgangssperre wurde gelockert und wird am Montag, den 07. Febr. ganz aufgehoben. Die Demonstationen sind vorerst beendet, und ich gehe davon aus, daß wir in Tunesien in einigen Monaten Neuwahlen nach demokratischen Regeln erleben werden. Der Westen wird sich überlegen müssen, ob er weiterhin mit den Diktatoren dieser Welt paktieren will, oder ob er zum Anwalt derjenigen wird, die sich für Freiheit, Würde und Menschenrechte einsetzen. Denn nur dies sind die Werte, die wirklich alle Menschen auf dieser Welt vereinen. Meiner Meinung nach sind die westlichen Länder –allen voran Europa- gerade dabei, die künftigen Chancen auf gute Beziehungen mit den nordafrikanischen Ländern zu gefährden.
Die Demonstanten in Ägypten warten auf ein klares Bekenntnis des Westens für ihr Anliegen und ihre Ziele. Sie erwarten aber nicht, daß man ihnen erklärt, wie ihre Gesellschaften sich künftig zu entwickeln haben. … und sie erwarten schon gar nicht, daß ausgerechnet Europa ihnen von schnellen demokratischen Wahlen abrät und einen schnellen Abgang des Diktators Mubarak für nicht wünschenswert hält. Überlegungen, Mubarak in Deutschland Exil anzubieten, sind nicht nur abwegig; dies ist repektlos und beleidigend für die Menschen in Ägypten, die auch heute wieder für die Freiheit auf die Staße gehen. Hamburg als ein wichtiger Wirtschaftsstandort ist auch ein wichtiger Partner in den Wirtschaftsbeziehungen zu den nordafrikanischen Ländern. Hamburg sollten darum seinen Einfluß geltend machen, daß die Bundesregierung ihre Haltung überdenkt. Die Stimme der Freiheit muß am Ende alle anderen Stimmen verstummen lassen. Deshalb bin ich auch Mitglied der FDP, denn die FDP stellt in ihrem Grundsatzprogramm den Menschen sowie seine Freiheitsrechte in den Mittelpunkt. Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage ausreichend beantworten. Wenn nicht, beantworte ich auch gerne weitere Nachfragen.

Adel Ben Fredj