Interessenkonflikt durch Nebentätigkeiten: EU-Abgeordnete verdienen Zehntausende Euro

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Hamburg - Zahlreiche EU-Abgeordnete aus Deutschland kassieren nach Recherchen von abgeordnetenwatch.de hohe Nebeneinkünfte in der freien Wirtschaft oder als Rechtsanwälte. Einer der Spitzenverdiener ist der Vorsitzende des EU-Rechtsausschusses Klaus-Heiner Lehne (CDU), der als Partner der international tätigen Anwaltskanzlei TaylorWessing mindestens 120.000 Euro pro Jahr verdient. Lehnes Parteikollegen Elmar Brok, Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament, zahlte der Bertelsmann-Konzern zuletzt zwischen 60.000 und 120.000 Euro pro Jahr für seine Beratertätigkeit. Genauere Angaben sind nicht möglich, da die Europaabgeordneten ihre Nebeneinkünfte lediglich innerhalb eines vierstufigen Rasters angeben müssen - von Stufe 1 (500-1.000 Euro monatlich) bis Stufe 4 (über 10.000 Euro monatlich). Laut abgeordnetenwatch.de beziehen auch andere Europaabgeordnete relevante Nebeneinkünfte: - Burkard Balz: Der niedersächsische Abgeordnete ist Beiratsmitglied der MuP-Holding, einer Ingenieurgesellschaft, und erhält dafür monatliche Einkünfte der Stufe 2 (1.001-5.000 Euro). Als Vertrauensmann der Bausparkasse Schwäbisch Hall streicht der frühere Abteilungsdirektor der Commerzbank monatlich bis 1.000 Euro ein (Stufe 1). Auf seiner Homepage nennt Balz zwar die genaue Höhe der Einkünfte von Schwäbisch Hall (durchschnittlich 563,49 Euro pro Monat). Ein Hinweis auf die Tätigkeit bei MuP findet sich dort aber ebenso wenig wie eine Liste der Honorarvorträge bei der Commerzbank (Stufe 2), dem Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (Stufe 3), der Reinsurance Group of America (Stufe 2), der European Equity and Venture Capital Association (Stufe 3) und dem Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband (2x Stufe 2). - Hans-Gert Pöttering: Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments bezieht als Aufsichtsratsvorsitzender der Johann Bunte Bauunternehmung GmbH Einkünfte zwischen 1.001 und 5.000 Euro. Auch Pötterings Posten als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung wird mit Stufe 2 vergütet. - Markus Ferber: Der Europaabgeordnete aus Bayern ist wie Balz Mitglied im MuP-Beirat und erhält dafür monatlich zwischen 1.001 und 5.000 Euro (Stufe 2). Das Unternehmen K&S Consultants zahlt Ferber für seine Tätigkeit als Berater ebenfalls ein Gehalt der Stufe 2. Im Beirat des Sparkassenverbandes Bayern verdient der Parlamentarier bis zu 1.000 Euro. - Andreas Schwab: Schwab ist als Anwalt für die Kanzlei CMS Hasche Sigle tätig und bezieht dort Einkünfte der Stufe 2. Neben seiner Abgeordnetentätigkeit in Brüssel und Straßburg sowie der Wahlkreisarbeit in Südbaden will Schwab im Berliner Büro von CMS tätig sein. Sein Aufgabengebiet ist dort "Kartellrecht und EU". - Anja Weisgerber: Die bayerische EU-Abgeordnete bezieht als Rechtsanwältin monatliche Einkünfte der Stufe 2 (1.001 bis 5.000 Euro). Dass sie für die Kanzlei GSK Stockmann & Kollegen tätig ist, gibt Weisgerber gegenüber dem Europaparlament nicht an. - Thomas Ulmer: Der Arzt hat gegenüber dem Europaparlament Einkünfte der Stufe 4 (über 10.000 Euro) gemeldet. - Reimer Böge und Karl-Heinz Florenz: Beide Abgeordnete kommen als Landwirt auf monatliche Einkünfte zwischen 1.001 und 5.000 Euro (Stufe 2). Für seine Tätigkeit als Präsident der Arbeitsgemeinschaft deutscher Tierzüchter erhält Böge außerdem bis zu 1.000 Euro im Monat (Stufe 1). Florenz gibt gelegentliche Einnahmen aus Vorträgen und Aufsätzen (Stufe 1) an. abgeordnetenwatch.de kritisiert im Fall des nordrhein-westfälischen Europaabgeordneten Klaus-Heiner Lehne einen Interessenkonflikt zwischen Abgeordnetenmandat und Nebentätigkeit. Während Lehnes Kanzlei TaylorWessing 2010 die Gründung eines JointVentures für das Plattenlabel Sony Music einfädelte, war Lehne als Mitglied des federführenden EU-Rechtsausschusses mit der besseren „Durchsetzung von Urheberrechten“ befasst. Derzeit ist Lehne an der Ausgestaltung eines Gesetzespaketes zum EU-Patentrecht beteiligt; das Patentrecht ist eines der Spezialgebiete von TaylorWessing. Als Konsequenz fordert abgeordnetenwatch.de ein Komplett-Verbot von bezahlten Nebentätigkeiten. „Es darf nicht sein, dass unsere Volksvertreter mit ihrem Insiderwissen auf der Gehaltsliste von Unternehmen stehen oder diese beraten,“ so abgeordnetenwatch.de-Mitgründer Gregor Hackmack. „Das Abgeordnetenmandat ist außerdem ein Vollzeitjob, der bei ernsthafter Ausübung keine Zeit für Nebentätigkeiten lässt.“ Weiterführende Informationen: - 60.000 Euro von Bertelsmann und andere Beispiele: Das verdienen die Europaabgeordneten nebenher https://www.abgeordnetenwatch.de/sites/abgeordnetenwatch.de/files/legacy/2012/05/10/60-000-euro-von-bertelsmann-und-andere-beispiele-das-verdienen-die-europaabgeordneten-nebenher/ - Interessenkonflikt durch Nebentätigkeit: Vorsitzender des EU-Rechtsausschusses verdient mindestens 120.000 Euro in Großkanzlei http://blog.abgeordnetenwatch.de/2012/05/10/interessenkonflikt-durch-nebentatigkeit-vorsitzender-des-eu-rechtsausschusses-verdient-mindestens-120-000-euro-in-groskanzlei/