Die Transparenzportale abgeordnetenwatch.de und fragdenstaat.de wollen mit Unterstützung von Bürgerinnen und Bürger tausende bislang unveröffentlichte Gutachten des Deutschen Bundestages öffentlich zugänglich machen. Am Montag präsentierten sie ein neues Internetportal, über das die Ausarbeitungen per Knopfdruck beim Bundestag angefordert und anschließend veröffentlicht werden können. "Seit Jahren macht der Deutsche Bundestag ein Geheimnis aus den Gutachten seines wissenschaftlichen Dienstes", kritisierte abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack. "Nun wollen wir die mit Steuergeldern erstellten Ausarbeitungen aus den Aktenschränken befreien und der Allgemeinheit zugänglich machen!"
Am Freitagabend hatte die Transparenzorganisation eine bislang unveröffentlichte Liste mit den Titeln mehrerer Tausend Gutachten von 2005 bis 2015 online gestellt. Deren Herausgabe hatte der Bundestag gegenüber abgeordnetenwatch.de lange Zeit verweigert und behauptet, die Organisation verfolge mit ihrer Anfrage eine "Ausforschung des Behördenhandelns". Nach einem Widerspruch von abgeordnetenwatch.de auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) gab die Parlamentsverwaltung die Liste schließlich doch heraus. Durch das Bekanntwerden der Titel können Bürger und Journalisten nun erstmals konkrete Gutachten beim Bundestag anfordern. Dies war bislang nicht möglich, weil nicht bekannt war, welche Ausarbeitungen überhaupt
existieren.
Über das am Montag gestartete Portal FragDenBundestag ( https://fragdenstaat.de/fragdenbundestag/ ) können Bürgerinnen und Bürger die Zusendung von Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes per Knopfdruck beantragen. "Mit Unterstützung von Bürgerinnen und Bürger ist es so möglich, sämtliche Gutachten in einer für alle zugänglichen Online-Bibliothek zusammenzutragen", so Arne Semsrott von der Organisation Open Knowledge Foundation (OKF), die das Portal fragdenstaat.de betreibt. "Es ist nicht hinnehmbar, dass der Bundestag diese von uns allen finanzierten Gutachten unter Verschluss hält!"
In der von abgeordnetenwatch.de veröffentlichten Gutachten-Liste für die Jahre 2005 bis 2015 ist u.a. eine Ausarbeitung zum umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP aufgeführt, die mit der Geheimstufe "NfD" (Nur für den Dienstgebrauch) versehen ist. "Es ist skandalös, dass der Bundestag das Gutachten unter Verschluss hält", so abgeordnetenwatch.de-Geschäftsführer Gregor Hackmack. "Mit dieser Geheimniskrämerei schürt er die berechtigte Sorge vieler Menschen, dass es bei TTIP vor allem um die Interessen von Lobbyisten geht."
Aber auch skurrile Gutachten tauchen in der Übersicht auf. So erstellte der Wissenschaftliche Dienst 2005 eine Ausarbeitung mit dem Titel "Zu den rechtlichen Möglichkeiten gegen das Nacktbaden auf einem benachbarten Grundstück". "Hier liegt der Verdacht nahe, dass ein Abgeordneter ein Gutachten aus privatem Interesse in Auftrag gegeben hat", so Arne Semsrott von fragdenstaat.de.
Eine weitere bizarre Ausarbeitung betrifft das Thema UFOs. 2009 hatte eine Bundestagsabgeordnete ein Gutachten mit dem Titel "Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestischen Lebensformen" beim Wissenschaftlichen Dienst in Auftrag gegeben. Weil der Bundestag gegenüber einem Bürger die Herausgabe der Ausarbeitung verweigerte, hatte dieser auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes geklagt und im Juni 2015 nach mehrjährigem Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht recht bekommen. Seitdem muss die Bundestagsverwaltung Gutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes auf Anfrage öffentlich machen.
"Wir erwarten, dass wir bis Ende des Jahres alle Gutachten unter fragdenbundestag.de zusammentragen können", so Arne Semsrott. "Besser wäre es allerdings, wenn der Bundestag endlich von sich aus sämtliche Ausarbeitungen im Internet zugänglich machen würde."
“Wir brauchen endlich ein bundesweites Transparenzregister, in das der Bundestag, Ministerien und andere Behörden ihre Dokumente proaktiv veröffentlichen müssen”, forderte Gregor Hackmack. “Was in Hamburg auf Landesebene möglich ist, muss endlich auch im Bund gelten.”
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