Hamburg / Berlin, 8. Dezember 2021 - Die Transparenz-Organisation abgeordnetenwatch.de macht anlässlich des morgigen Welt-Anti-Korruptions-Tags auf die mangelnde Bekämpfung von Abgeordnetenbestechung in Deutschland aufmerksam. Erst vor wenigen Wochen hatte das Oberlandesgericht München den Bundestag aufgefordert, den Strafgesetzbuchparagraphen zu Abgeordnetenbestechung zu verbessern.
Am 18. November diesen Jahres gab das Oberlandesgerichts München bekannt, dass die in der Maskenaffäre beschuldigten langjährigen CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden können. Der Grund dafür: Der im Strafgesetzbuch vorgesehenen Artikel zur Abgeordnetenbestechung (Paragraph 108e) sei zu eng gefasst. Die Richter:innen zeigten sich unzufrieden mit der Gesetzeslage und forderten den Gesetzgeber zu Nachschärfungen auf.
Clara Helming von abgeordnetenwatch.de dazu: „So von einem Gericht in die Pflicht genommen zu werden, ist für den Bundestag peinlich. Abgeordnetenbestechung muss endlich wirksam unter Strafe gestellt werden. Sonst steht der Verdacht im Raum, dass sich Abgeordnete selbst besserstellen wollen als den Rest der Bevölkerung.“
Erst seit 1994 ist in Deutschland Abgeordnetenbestechung ein Straftatbestand, der im Paragrafen 108e StGB geregelt ist. Bis 2014 beschränkte er sich auf den Kauf von Stimmen, seitdem sind sämtliche Handlungen in Wahrnehmung des Mandats mit einbezogen.
Laut Einschätzung von abgeordnetenwatch.de ist der Straftatbestand jedoch immer noch zu eng gefasst. Abgeordnete können nur dann für Bestechlichkeit verurteilt werden, wenn sie im Rahmen ihrer parlamentarischen Arbeit gehandelt haben. Es ist hingegen nicht strafbar, wenn Abgeordnete die Autorität ihres Mandats und ihre politischen Verbindungen nutzen, um sich und anderen einen Vorteil zu verschaffen. Dies ist etwa im Fall von Nüßlein und Sauter geschehen.
Ein weiteres Problem: Laut 108e muss eine klare Weisung oder ein Auftrag durch den oder die Bestecher:in nachgewiesen werden. Dies ist in der Praxis jedoch häufig nicht möglich.
„Aufgrund dieser riesigen Schlupflöchern im Strafgesetzbuch ist es möglich, Abgeordnete in Deutschland ganz legal zu bestechen“, meint die Vertreterin von abgeordnetenwatch.de. „Deshalb fordern wir eine dringende Reform des Paragraphen 108e!“
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP haben im Koalitionsvertrag angekündigt den „Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer aus[zu]gestalten.“
Für abgeordnetenwatch.de ist das ein erstes Signal. Clara Helming dazu: „Nun kommt es auf die Details der Umsetzung an. Konkrete Änderungen müssen dafür sorgen, dass die Justiz künftig wirksam gegen die Kommerzialisierung des Abgeordnetenmandats vorgehen kann.“
Entsprechende Gesetzesvorschläge hatte die Transparenz-Organisation bereits vor der letzten Reform im Jahr 2014 vorgelegt.
abgeordnetenwatch.de führt eine Petition zur Reform des Paragrafen 108e StGB, an der sich bereits über 94.000 Bürger:innen mit ihrer Unterschrift angeschlossen haben.
Kontakt für O-Töne/Interviews:
Clara Helming, abgeordnetenwatch.de | helming@abgeordnetenwatch.de | 017699864492
Links:
Petition: https://www.abgeordnetenwatch.de/petitionen/abgeordnetenbestechung-bestrafen-korrupt
Pressemitteilung des Oberlandesgerichts München zur Entscheidung vom 18. November 2021: https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/oberlandesgerichte/muenchen/presse/2021/31.php
Koalitionsvertrag der Ampelkoalition: https://fragdenstaat.de/dokumente/142083-koalitionsvertrag-2021-2025/#page-1