Das Bundeskriminalamt, das bislang nur für Verfolgung bereits begangener Straftaten zuständig war, erhält mit dem BKA-Gesetz erstmals auch präventive Befugnisse, durch die terroristische Angriffe abgewehrt werden sollen. Gerade bei hoher terroristischer Bedrohung müsse schnell gehandelt werden können, argumentieren Union und SPD. Praktische Hindernisse, die in der Kompetenzteilung zwischen Bund und Ländern begründet sind, hätten dem bislang entgegengestanden. Bislang verfügte nur die Polizei der Bundesländer über Kompetenzen bei Strafverfolgung und Gefahrenabwehr.
375 Abgeordnete stimmten für das "Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt", 168 dagegen, sechs enthielten sich.
Besonders umstritten ist die Online-Durchsuchung. Das Bundesverfassungsgericht hatte der heimlichen Überwachung privater Computer im Frühjahr 2008 enge Grenzen gesetzt. Möglich ist die Überwachung demnach nur dann, wenn die Unversehrtheit einer Person oder der Bestand des Staates gefährdet sind.
Nach jahrelangem Streit hatten sich Union und SPD kürzlich auf einen Kompromiss geeinigt. Danach wird es künftig ein zweistufiges Verfahren geben: Im ersten Schritt muss ein Richter die heimliche Online-Durchsuchung anordnen. Werden schließlich die Daten eines Verdächtigen erhoben, überprüfen zwei BKA-Beamte und auf Drängen der SPD zusätzlich auch der Datenschutzbeauftragte des BKA, ob der Kernbereich privater Lebensgestaltung verletzt wurde. Bei Zweifeln an der Verwendbarkeit der Daten muss ein Richter hinzugezogen werden. Bei "Gefahr im Verzug" darf der BKA-Präsident die Online-Durchsuchung dagegen auch ohne richterliche Genehmigung anordnen, muss diese aber innerhalb von drei Tagen einholen.
Der sog. Bundestrojaner, also ein Spionageprogramm, mit dem der Computer eines Verdächtigen ausgespät wird, muss per E-Mail oder über einen anderen technischen Weg installiert werden. Das Betreten einer Wohnung für diesen Zweck ist nicht zulässig.
Neben der Online-Durchsuchung erhält das Bundeskriminalamt folgende Befugnisse:
Großer Lauschangriff
Zur Terrorabwehr darf das BKA künftig einen Verdächtigen abhören, filmen und fotografieren, unabhängig davon, ob dieser sich in seiner eigenen oder in einer fremden Wohnung aufhält. Dazu ist eine richterliche Genehmigung erforderlich. Bei "Gefahr in Verzug" kann diese nachgereicht werden.
Telefonüberwachung mit Handy-Ortung
Dem Bundeskriminalamt ist es künftig gestattet, Telefongespräche heimlich aufzuzeichnen. Telekommunikationsunternehmen sind verpflichtet, dem BKA entsprechende Auskünfte, z.B. über die Verbindungsdaten, zu erteilen. Bei Handygesprächen darf in Zukunft auch der Aufenthaltsort abgefragt werden. Auch hierzu ist eine richterliche Genehmigung erforderlich.
Wohnungsdurchsuchung
Unter bestimmten Voraussetzungen darf das BKA die Wohnung eines Verdächtigen ohne dessen Wissen betreten und durchsuchen.
Rasterfahndung
Zur Gefahrenabwehr darf das BKA künftig die sog. Rasterfahndung einsetzen. Dabei werden bestimmte Personengruppen anhand bestimmter Suchkriterien aus öffentlichen oder privaten Datenbanken herausgefiltert.
Ausgespart von den Überwachungsmaßnahmen bleibt der sog. "Private Kernbereich". Aufzeichnungen, die einen solchen Bereich der privaten Lebensgestaltung betreffen, sind unverzüglich zu löschen, dadurch gewonnene Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden. Bei Zweifeln, ob der private Kernbereich tangiert wird, ist eine automatische Aufzeichnung zulässig. Diese muss anschließend dem Richter, der die Überwachung angeordnet hat, vorgelegt werden.
Über einen absoluten Abhörschutz verfügen in Zukunft nur Strafverteidiger, Geistliche und Abgeordnete. Dagegen wird Journalisten, Rechtsanwälten und Ärzten nur ein eingeschränktes Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden.
Auf Drängen der SPD werden die Online-Durchsuchung zunächst bis zum Jahr 2020 befristet. Befugnisse wie Rasterfahndung oder Online-Durchsuchung werden nach fünf Jahren von der Bundesregierung auf ihren Nutzen hin evaluiert.
Die Wahrnehmung der neuen Aufgaben des BKA erfordert laut Antrag der Koalition 130 Planstellen/Stellen und im ersten Jahr nach Inkrafttreten einen Finanzaufwand in Höhe von rund 18,5 Mio. Euro. In den Folgejahren fallen laufende Kosten (Sach- und Personalkosten) in Höhe von jährlich etwa 10,2 Mio. Euro an.
Widerstand gegen das BKA-Gesetz kommt von der Opposition. FDP und Grüne planen Verfassungsbeschwerden. Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Giesela Piltz, kritisiert, dass Union und SPD das BKA zu einem ´deutschen FBI´ umwandeln wollten – also eine zentrale Polizeibehörde mit quasi-geheimdienstlichen Befugnissen. Damit werde jedoch das föderale Prinzip umgangen, nach dem die Länder für die polizeiliche Gefahrenabwehr zuständig sind. Nach Ansicht des Innenexperten der Grünen, Wolfgang Wieland, sind "die zahlreichen Überwachungsinstrumente, die weitgehende Aufhebung des Zeugnisverweigerungsrechts und das hemmungslose Herumschnüffeln in der Privatsphäre verfassungswidrig". "Dieses Gesetz bleibt ein Bürgerrechtskiller."
Für den Innenexperten der Linkspartei, Wolfgang Neskovic, besteht das Hauptproblem des BKA-Gesetzes in der "Aufwertung des BKA zu einer Super-Sicherheitsbehörde, einer Spitzelzentrale, die alles weiß und alles darf: Wohnungen verwanzen und Computer ausspähen, Menschen verhören und in Gewahrsam nehmen." So werde mit der Verabschiedung des BKA-Gesetzes "endgültig etwas legalisiert, was in Deutschland nie wieder möglich sein sollte: die totale Überwachung der Bürger."
Im Bundesrat hat das BKA-Gesetz am 28. November 2008 keine Mehrheit gefunden.