51 Millionen Euro nebenher: Bundestagsabgeordnete kassieren durch Nebeneinkünfte

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Berlin/Hamburg, 19. Oktober 2024 – Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben seit Beginn der Legislaturperiode im Herbst 2021 meldepflichtige Einnahmen von mindestens 51 Millionen Euro erhalten. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de, die gemeinsam mit dem SPIEGEL die Selbstauskünfte der Parlamentsmitglieder gegenüber dem Bundestag ausgewertet hat.

Knapp die Hälfte - 337 von 733 Abgeordneten (46 Prozent) - haben Nebeneinkünfte gemeldet (zusätzlich zu ihren Diäten von aktuell 11.227 Euro).
Die Recherchen zeigen, dass zahlreiche Abgeordnete

  • neben ihrem Bundestagsmandat mehrere Geschäftsführungsposten ausüben,
  • hohe Summen von Konzernen erhalten haben,
  • hunderttausende Euro aus der Beteiligung an Unternehmen kassierten.

Sarah Schönewolf von abgeordnetenwatch.de kritisiert: "Es ist fraglich, ob bei manchen Abgeordneten mit lukrativen Zweitjobs die Tätigkeit im Bundestag tatsächlich noch Priorität hat".

Am höchsten ist der Anteil bei der Union (63 Prozent der Abgeordneten meldeten Nebeneinkünfte) und der FDP (59 Prozent). Mit deutlichem Abstand folgen SPD (43 Prozent), BSW (40 Prozent), Grüne (32 Prozent), Linke (35 Prozent) und AfD (22 Prozent).

Die höchsten Summen meldeten folgende Abgeordnete:

  • Albert Stegemann (CDU/CSU): 7,8 Mio. Euro aus seinem Landwirtschaftsbetrieb
  • Sebastian Brehm (CDU/CSU): 7,1 Mio. Euro aus Tätigkeiten als Steuerberater
  • Alexander Engelhardt (CDU/CSU): 3,5 Mio. Euro als Inhaber einer Biomühle
  • Thomas Heilmann (CDU/CSU): 3.5 Mio. Euro aus der Beteiligung an Unternehmen
  • Ophelia Nick (Grüne): 2,8 Millionen Euro, im Wesentlichen aus Gewinnbeteiligungen von Unternehmen

Die Zahlen sind jedoch nur bedingt vergleichbar. Bei den Beträgen kann es sich um Einkünfte, Gewinn vor Steuern, Gewinnbeteiligungen, Umsätze oder andere Angaben handeln. Vor allem bei freiberuflich und selbstständig tätigen Abgeordneten gehen neben der Umsatzsteuer meist noch Personal- und Sachkosten ab. Nichtsdestotrotz geben die “veröffentlichungspflichtigen Angaben” Aufschluss über geschäftliche Verbindungen der Abgeordneten sowie über mögliche Interessenkonflikte.

Mögliche Interessenkonflikte durch Nebenjobs
Letzteres ist zum Beispiel der Fall, wenn Abgeordnete einem Parlamentsausschuss angehören, in dem Anliegen ihrer Geldgeber:innen behandelt werden. Oder Anliegen ihrer Unternehmen. Zum Beispiel bei Landwirt Stegemann, der im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sitzt. Auf Anfrage schreibt er, dass er einsehe, dass bei bestimmten Fällen ein Konflikt existieren könnte. Dann zeige er “z.B. bei Wortbeiträgen im Ausschuss einen möglichen Interessenskonflikt mündlich an. Dies ist in den Protokollen der Sitzungen transparent nachlesbar.”

Ein weiteres Beispiel ist die Tätigkeit der Abgeordneten Peter Ramsauer (CSU), Bernd Westphal (SPD) und Otto Fricke (FDP) als Mitglieder des "Expertenrats" der Beratungsagentur Kekst-CNC. Die Agentur lobbyiert laut Lobbyregister für mehrere Unternehmen, vergangenes Jahr etwa für die Rohstoffkonzerne Thyssengas und Vitol. Die Abgeordneten erhalten teilweise Aufwandsentschädigungen in Höhe von neun- bis zehntausend Euro pro Jahr. Auf Anfragen antworteten sie ausweichend oder gar nicht.

„Unternehmen erkaufen sich über Posten gezielt Zugang zu politischen Entscheidungsträger:innen“, warnt Sarah Schönewolf von abgeordnetenwatch.de. „Abgeordnete haben in Aufsichtsräten und Beiräten von Konzernen und Lobbyverbänden nichts zu suchen.“

abgeordnetenwatch.de begrüßt, dass seit dieser Legislaturperiode strengere Transparenzregeln greifen (genaue Summen, auch Gewinne aus Unternehmensbeteiligungen). Sarah Schönewolf fordert aber weitere Maßnahmen. "Die Kontrolle der Nebeneinkünfte darf nicht bei der Bundestagspräsidentin liegen. Es ist absurd, dass Bärbel Bas ihre Nebeneinkünfte als Aufsichtsratsmitglied eines Stahlkonzerns selbst offenlegen und prüfen muss." Eine unabhängige Prüfinstanz sei dringend notwendig.