Hamburg / Berlin - 1. Oktober 2020 - Die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de bemängelt anlässlich der heutigen öffentlichen Anhörung des Geschäftsordnungs-Ausschusses des Bundestages den Entwurf der großen Koalition für ein Lobbyregister.
„An der Transparenz gemessen ist der Entwurf mangelhaft, da er große Lücken aufweist und wesentliche Teile ausspart“, kommentiert Roman Ebener, Lobbyexperte bei abgeordnetenwatch.de.
Die Organisation fordert insbesondere die Veröffentlichung der politischen Kontakte durch Lobbyist:innen, um wirksame Maßnahmen zu erreichen und Transparenz herzustellen.
Dazu Ebener: „Echte Lobbytransparenz kann Korruption vermeiden. Diese Chance verpasst die GroKo gerade.“ Begrüßenswert sei es, dass erste Kritik gehört wurde und mit einer angekündigten Änderung auch die Bundesregierung einbezogen werden soll.
Problematisch für abgeordnetenwatch.de: Ein Entwurf über die angekündigten Änderungen liegt bislang nicht vor. So findet die Ausschussanhörung über einen letztlich bereits veralteten Gesetzentwurf statt, bei dem noch wesentliche Änderungen zu erwarten sind.
Die folgenden Punkte sind aus Sicht von abgeordnetenwatch.de am kritischsten:
1. Die Öffentlichkeit wird überhaupt nicht erfahren, wie lobbyiert wird. Der Entwurf sieht lediglich vor, dass Lobbyist:innen generelle Angaben (wie z.B. Mitarbeiter:innen, Tätigkeitsfeld oder Auftraggeber:innen) über sich veröffentlichen müssen. Wir erfahren also weder, um welches Gesetz die Lobbyaktivität geht, noch wer dazu kontaktiert worden ist. „Ohne die Kontakttransparenz - insbesondere gegenüber der Bundesregierung - bleibt geheimer Lobbyismus auf der Tagesordnung“, ist sich Lobbyexperte Ebener sicher. „Dabei sind gerade diese Angaben notwendig, um problematische Einflussnahme zu beseitigen.“
2. Die Sanktionshöhe ist viel zu gering: 50.000 Euro für eine Ordnungswidrigkeit sind als maximale Strafe gesetzt. Für manche Lobbyinteressen, bei denen es durchaus um Milliarden gehen kann (Autogipfel, Rüstungsindustrie, Autobahnmaut, usw.) eine zu geringe Summe. Vergehen müsste neben einer angemessenen Strafe auch eine sogenannte „Vorteilsabschöpfung“ beinhalten, damit sich Verstöße auf keinen Fall lohnen.
3. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Lobbyist:innen selbst entscheiden können, ob sie Angaben zu ihren Finanzen veröffentlichen möchten. Das führt aus Sicht von abgeordnetenwatch.de zu einer Zwei-Klassen-Transparenz bei den Finanzen. Zudem sind Personalkosten generell von der Veröffentlichung ausgenommen. Dabei dürften diese einen wesentlichen Teil der Lobbyaufwendungen ausmachen.
4. Im Gesetz sind zudem noch weitreichende Ausnahmen formuliert. So ist Lobbyismus, sofern er auf öffentlichen Veranstaltungen stattfindet, einfach ausgenommen. Ebenso sind Kirchen sowie alle Lobbyist:innen, deren Tätigkeit sich auf maximal zwei Wahlkreise bezieht, vom Eintragen ins Register komplett befreit. Warum der sogenannte lokale Lobbyismus komplett ausgenommen ist, geht aus dem Entwurf leider nicht hervor. „Das ist problematisch, denn letztlich sind auch z.B. Zuschüsse, die Abgeordnete für Unternehmen in ihrem Wahlkreis erwirken, für die Öffentlichkeit interessant“, erklärt der Experte von abgeordnetenwatch.de.
Roman Ebener weiter: „Der Entwurf ist Augenwischerei statt echte Transparenz. Geheimer Lobbyismus kann so weiterhin bestehen. Was ist ein Gesetz wert, das genau die problematischen Einflüsse, die ein Lobbyregister eigentlich verhindern müsste, gar nicht beseitigen kann? Den im Entwurf angekündigten ‚Regelungsrahmen für das Miteinander von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft‘ konnten wir nicht entdecken. Weder Amthors noch Guttenbergs Lobby-Eskapaden wären mit diesem Lobby“versteck“gesetz aufgeflogen.“
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