Brüssel / Hamburg – Nur noch eine gute Woche bis zur Europawahl und die Kandidierenden positionieren sich im Kandidaten-Check des unabhängigen Internetportals abgeordnetenwatch.de. Die Plattform bat alle Bewerberinnen und Bewerber, zu 22 europapolitisch relevanten Thesen Stellung zu beziehen.
Für eine Finanztransaktionssteuer und Investitionen ins Eisenbahnnetzwerk, gegen eine Sperrklausel – Das sind einige der Ergebnisse des Kandidaten-Checks von abgeordnetenwatch.de zur Wahl des Europäischen Parlaments am 26. Mai.
„Die Bürgerinnen und Bürger wählen in erster Linie Menschen und nicht das Wahlprogramm – das gilt auch für die Listenwahl auf Europaebene. Der Kandidaten-Check bietet eine gute Möglichkeit, die Bewerberinnen und Bewerber besser kennenzulernen“, so Christina Lüdtke, Projektleiterin von abgeordnetenwatch.de.
Klare Meinungen entlang der Parteilinien gibt es bei der Frage, ob die EU zur Vermeidung von innereuropäischem Flugverkehr in ein schnelles, europaweites Eisenbahnnetzwerk investieren solle. Grüne, Volt, Die Linke, Demokratie in Europa und die Freien Wähler sind zu 100 Prozent dafür, auch die SPD (98 Prozent) und die ÖDP (93 Prozent). Die Kandidierenden der AfD sind allerdings geschlossen gegen einen Ausbau aus Umweltschutzgründen – sie begründen ihre Entscheidung damit, dass ein Ausbau ausschließlich aus marktwirtschaftlichen Gründen heraus umzusetzen sei. Auch die Lucke-Partei Liberal-konservative Reformer ist mehrheitlich gegen das Projekt, weil es ein Eingriff in nationale Rechte sei. Die FDP-Kandidierenden positionieren sich zu 55 Prozent neutral.
Noch bis vor wenigen Monaten war nicht klar, ob es zu dieser EU-Wahl erstmals eine 2-Prozent-Hürde geben würde – soll es aber in Zukunft eine geben? Tatsächlich sprechen sich viele Kandidierenden gegen die Klausel aus: 70 Prozent aller Kandidierenden sind gegen eine Sperrklausel. Dafür sind vor allem CDU, CSU und SPD mit jeweils 100, 97 und 78 Prozent Zustimmung zur These. Ablehnung kommt z.B. mit 100 Prozent von den Linken oder Volt und auch passenderweise zu 78 Prozent aus der PARTEI, die bei der Wahl 2014 mit Martin Sonneborn tatsächlich einen einzelnen Kandidaten entsenden konnte, weil es keine Sperrklausel gab.
Fast über alle Parteien hinweg sind sich die Kandidierenden einig, dass EU-Abgeordnete ihre Lobby-Aktivitäten öffentlich dokumentieren sollen, so wie es im EU-Parlament für Abgeordnete mit übergeordneten Funktionen (wie z.B. Berichterstatterinnen und Bericherstatter oder Leiterinnen und Leiter von Ausschüssen), beschlossen wurde. Insgesamt stimmten 86 Prozent der teilnehmenden Kandidierenden für mehr Transparenz im Lobbyismus, darunter SPD, ÖDP, AfD und Linke mit 100 Prozent, die Grünen mit 96 Prozent. Spannend: Während die EVP, der auch CDU und CSU angehören, noch im Januar eine seltene geheime Abstimmung forderte, um dann fast geschlossen gegen die Transparenzregeln zu stimmen, votierten im Kandidaten-Check nun 52 Prozent der CDU- und immerhin noch 22 Prozent der CSU-Kandidierenden FÜR die öffentliche Dokumentation – ein Sinneswandel?
Gefragt hat abgeordnetenwatch.de die Kandidierenden auch, ob es eine Finanztransaktionssteuer geben solle, wie sie seit Jahren von einigen Parteien und Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler gefordert wird – bisher ohne Erfolg. Darum ist es überraschend, dass 70 Prozent aller teilnehmenden Kandidierenden für eine solche Steuer sind. 67 Prozent der CDU-Kandidierenden, 80 Prozent der CSU-Kandidierenden und 98 Prozent bzw. 96 Prozent der SPD- und Grünen-Kandidierenden sind für die Steuer – und diese Parteien werden wohl die meisten Abgeordneten nach Brüssel entsenden. Mehrheitliche Ablehnung kommt lediglich von den Kandidierenden der FDP (68 Prozent Ablehnung) und den Liberal-konservativen Reformern (88 Prozent).
Die Themen sind breit gefächert: Urheberrecht, Plastikverbot, Aufnahme neuer Mitgliedstaaten, Digitalsteuer uvm. – die gesamte Auswertung aller Thesen finden Sie hier.
Am Kandidaten-Check haben sich bislang knapp 500 und damit 36 Prozent aller Kandidierenden beteiligt. Die Teilnahme ist bis kurz vor der Wahl möglich. Die Kandidierenden können zustimmen, ablehnen oder sich neutral verhalten und zusätzlich ihre Entscheidung kurz begründen. Die Aussagen werden in ihrem Profil öffentlich dargestellt.
Weiterführende Informationen:
Frageportal zur Europawahl:
Ausführliche Pressemappe zum Start des Wahlportals: auf Anfrage unter luedtke@abgeordnetenwatch.de