abgeordnetenwatch.de-Klage erfolgreich: Bundestag muss Lobbyistenkontakte der Fraktionen offenlegen

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Der Deutsche Bundestag muss nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Donnerstag die Zahl und die Namen von Lobbyverbänden offenlegen, die mit Bewilligung der Fraktionen einen Hausausweis für das Parlament erhalten haben. Die Richter gaben damit einer Klage der Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de in allen Punkten Recht.

"Das Urteil stärkt das Informationsfreiheitsgesetz, weil es klar festlegt, dass die Öffentlichkeit mehr Informationen über Lobbyisten bekommen muss, als der Bundestag bisher preisgeben wollte," so Gregor Hackmack, Geschäftsführer von abgeordnetenwatch.de. "Heute ist ein wichtiger Tag für mehr Transparenz im Bundestag. Jetzt muss die Parlamentsverwaltung die Lobbyorganisationen nennen, die auf geheimen Weg Hausausweise bekommen haben."

Hackmack weiter: "Es ist ein Skandal, dass wir als Bürgerverein quasi gegen uns selbst klagen müssen - schließlich vertritt der Bundestag uns alle! Der Richterspruch ist aber nur ein erster Schritt: Wir brauchen ein verpflichtendes Lobbyregister mit Namen und Gesprächsgegenstand der Treffen zwischen Lobbyisten und Abgeordneten."

"Wir haben in allen Punkten gewonnen. Der Bundestag sollte nun seine Blockadehaltung aufgeben und unverzüglich die Namen der Lobbyisten veröffentlichen, die Hausausweise für den Bundestag besitzen", so Hackmack. "Das Urteil ist auch eine krachende Niederlage für CDU/CSU und SPD, die sich beharrlich geweigert haben, ihre Lobbykontakte freiwillig offen zu legen."

  • Bericht zur Verhandlung im abgeordnetenwatch.de-Rechercheblog: https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2015-06-15/urteil-des-verwaltungsgerichts-zur-abgeordnetenwatchde-klage
  • Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Berlin zum heutigen Urteil: http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/20150618.1550.402145.html

 

Hintergründe zur Klage: Fragen und Antworten

+ Warum verklagt abgeordnetenwatch.de den Deutschen Bundestag?
Die Parlamentsverwaltung weigert sich gegenüber abgeordnetenwatch.de eine Liste mit Lobbyverbänden offenzulegen, die mit Bewilligung der Parlamentarischen Geschäftsführer von CDU/CSU, SPD, Linke und Grüne einen Bundestagshausausweis erhalten haben. In unserer schriftlichen Anfrage vom 17. April 2014 berufen wir uns auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das Bürgern ebenso wie Organisationen das Recht gibt, Informationen von öffentlichen Stellen einzuholen.

Vertiefende Informationen: abgeordnetenwatch.de verklagt den Bundestag
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/abgeordnetenwatchde-verklagt-den-deutschen-bundestag

+ Warum will der Bundestag die Lobbykontakte der Fraktionen nicht nennen?
Der Deutsche Bundestag argumentiert vor allem damit, dass es sich in diesem Fall um eine parlamentarische Angelegenheit handele, da die Hausausweise von einem Parlamentatrier - konkret: einem parlamentarischen Geschäftsführer - bewilligt würden, dies falle nicht unter das Informationsfreiheitsgesetz. abgeordnetenwatch.de ist dagegen der Meinung, dass die Ausstellung von Hausausweisen ein Verwaltungshandeln darstellt, da - bildlich gesprochen - der Stempel unter einen Lobbyisten-Hausausweis von einem Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung gesetzt wird. "Öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben" fallen sehr wohl unter das Informationsfreiheitsgesetz.

+ Was sagen die Fraktionen selbst zur Offenlegung ihrer Lobbykontakte?
Im April 2014 hat abgeordnetenwatch.de alle Parlamentarischen Geschäftsführer um Auskunft gebeten, welchen Interessenverbänden sie einen Bundestagshausausweis bewilligt haben. Linke und Grüne kamen unserer Bitte nach und legten die Verbändenamen offen (s.u.). Union und SPD weigerten sich mit Verweis auf den Datenschutz.

Organisationen, denen die Linksfraktion Hausausweise bewilligt hat: Forschungsforum "Öffentliche Sicherheit" e.V., IG  Bau-Agrar-Umwelt, Aktionsbündnis gegen AIDS, Interessenverband Unterhalt und Familienrecht

Organisationen, denen Bündnis 90/Grüne Hausausweise bewilligt hat: Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin, Agora Energiewende, Bündnis90/Die Grünen (Bundespartei), Bundesverband Solarwirtschaft, BSW - Solar e.V., Digital Courage, Deutsche Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychatrie, Deutsche Umwelthilfe, Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Heinrich-Böll-Stiftung, KfW-Bank, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Medico International, Metro AG, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Verband Entwicklungshilfe Deutscher Nichtregierungsorganisationen, WWF Deutschland, Forum Menschenrechte.

Vertiefende Informationen: GroKo schweigt zu Lobbykontakten
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2014-06-19/fraktionen-schweigen-zu-lobbykontakten

+ Um wie viele Hausausweise für Interessenvertreter geht es bei der Klage?
Nicht einmal das wollte die Bundestagsverwaltung auf die IFG-Anfrage von abgeordnetenwatch.de mitteilen. Die Süddeutschen Zeitung berichtete im Januar 2015 unter Berufung auf die Bundestagsverwaltung von insgesamt etwa 1.000 Hausausweisen, die Dank Bewilligung eines Parlamentarischen Geschäftsführers herausgegeben wurden. Zieht man von dieser Zahl die 22 Organisationen ab, die Linke und Grüne freiwillig genannt haben, entfallen weit über 950 auf Union und SPD. De facto geht es bei der Klage also um die Offenlegung der Lobbykontakte von CDU/CSU und SPD.

Vertiefende Informationen: Bundestag vergab 1.000 Lobbyisten-Hausausweise im Geheimverfahren
https://www.abgeordnetenwatch.de/blog/2015-01-27/bundestag-vergab-1000-lobbyisten-hausausweise-im-geheimverfahren


+ Welche Anwälte vertreten abgeordnetenwatch.de sowie den Deutschen Bundestag?
abgeordnetenwatch.de wird von der Berliner Anwältin Katja Pink vertreten. Pink erwirkte vor einigen Jahren bereits die Veröffentlichung der Gästeliste von der Geburtstagsparty des damaligen Deutsche Bank-Chefs Josef Ackermann im Bundeskanzleramt. Damals hatte das Kanzleramt eine Herausgabe der Liste nach dem Informationsfreiheitsgesetz ebenfalls zunächst verweigert.

Der Deutsche Bundestag hat die Kanzlei Redeker Sellner Dahs beauftragt.