Dass die 17 Namen nun von offizieller Seite bestätigt wurden, geschah nicht ganz freiwillig. Wenige Tage zuvor hatte der Parteienkritiker und Autor Hans Herbert von Arnim sein Buch "Die Selbstbediener: Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen" vorgestellt, in dem er die Arbeitsverträge von Abgeordneten mit ihren Familienangehörigen thematisiert (Funfact: In ihrer Mitteilung verzichtet Landtagspräsidentin Stamm darauf, den vollständigen Buchtitel mit dem Hinweis auf die "bayerischen Politiker" und die "Beute" zu nennen. Es ist lediglich von "Die Selbstbediener" ohne Bezug zum Freistaat die Rede.) Eine solche Beschäftigungspraxis ist in Bayern seit Dezember 2000 verboten, dies gilt allerdings nicht für Verträge, die davor geschlossen wurden. Etwa ein Fünftel der CSU-Abgeordneten im bayerischen Landtag haben von dieser Alt-Regelung Gebrauch gemacht, z.B.:
- CSU-Fraktionschef Georg Schmid, der die Büroarbeit in seinem Stimmkreis 23 Jahre lang an einen externen Dienstleister ausgelagert hatte - das Unternehmen seiner Frau. Diese habe Rechnungen bis 5.500 Euro pro Monat an ihn gestellt, sagte Schmid der Süddeutschen Zeitung. Zunächst hatte der Fraktionsvorsitzende angekündigt, seine Frau weiter beschäftigen zu wollen. Aufgrund der "unsachlichen Diskussion" habe er den Vertrag aber inzwischen beendet. Update 25.4.2013: Georg Schmid hat heute seinen Rücktritt als CSU-Fraktionsvorsitzender erklärt. Zur Begründung sagte er: " "Die öffentliche Diskussion bindet mich aber in einem Umfang, der mir nicht mehr erlaubt, meine Arbeit an der Spitze der CSU-Fraktion so zu erfüllen, wie ich das selbst von mir erwarte." Update 7.5.2013: Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung die Aufhebung der Immunität von Georg Schmid gefordert. Dieser soll seine Frau als Scheinselbständige beschäftigt haben. Der frühere Fraktionsvorsitzende hatte selbst gesagt, seine Ehefrau sei "rund um die Uhr" für ihn tätig gewesen.
- der Landtagsabgeordnete Georg Winter, der neben seiner Ehefrau, einer Lehrerin, auch die beiden Söhne beschäftigte. Bei Beginn der Beschäftigung im Jahr 2000 waren diese dreizehneinhalb bzw. vierzehneinhalb Jahre alt. Winter erklärte gegenüber der Zeitung tz, damals seien die Themen Computer und Internet aufgekommen, das Erstellen einer Homepage und ähnliches hätten seine Söhne "mit Begeisterung" und auf Basis einer "geringfügigen Beschäftigung mit Obergrenze 400 Euro“ gemacht. Ende 2012 seien die Verträge mit seiner Familie ausgelaufen, so Winter gegenüber der Abendzeitung. "Natürlich hilft mir meine Familie weiter, aber jetzt ohne Entgelt." Gerade erst hätten die Söhne einer Mitarbeiterin ein Home-Office eingerichtet. Update 29.4.2013: Wie SPIEGEL ONLINE berichtet, wird Winter zum 1. Mai sein Amt als Vorsitzender des Haushaltsausschusses aufgeben. Er bedaure "rückblickend aufrichtig mein damalig mangelndes Feingefühl. Hierfür entschuldige ich mich." Update 7.5.2013: Laut Süddeutscher Zeitung wird Winter vom bayerischen Landtagsamt vorgeworfen, mit der Beschäftigung seiner damals 13- und 14jährigen gegen die Kinderarbeitsschutzverordnung verstoßen zu haben. Demnach stünden Bürotätigkeiten der Kinderarbeitsschutzverordnung entgegen, weil diese darin nicht ausdrücklich für zulässig erklärt würden, schreibt die SZ. Dass Winter seine minderjährigen Söhne mit Bürotätigkeiten beauftragt hat, sei deshalb "nach Auffassung des Landtagsamts nicht mit der Kinderarbeitsschutzverordnung vereinbar".
- Update 2.5.2013: Justizministerin Beate Merk ließ zwischen 2010 und 2013 von ihrer Schwester gegen Rechnung "Fachtexte" erstellen, berichtet der Bayerische Rundfunk. Die Beschäftigung von Familienangehörigen zweiten Grades ist allerdings nach den Regeln des Landtags auch dann erlaubt, wenn diese nach dem Jahr 2000 aufgenommen wurde. - Wie heute außerdem bekannt wurde, haben auch Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (Ehefrau) und Kulturstaatssekretär Bernd Sibler (Mutter) Familienangehörige beschäftigt.
- Update 2.5.2013: Nach BR-Angaben waren Angehörige auch für eine Reihe Oppositionspolitiker tätig, u.a. Susann Biedefeld (SPD/Schwester), Maria Noichl (SPD/Bruder), Thomas Gehring (Grüne/Bruder), Maria Scharfenberg (Grüne/Sohn und Tochter) und Hubert Aiwanger(Freie Wähler/Schwager, seit Herbst 2008 angestellt, seit 2011 verschwägert). Eine Übersicht über alle bekannten Fälle gibt es beim Bayerischen Rundfunk.
Einer der 17 Landtagsabgeordneten auf der von Parlamentspräsidentin Stamm veröffentlichten Liste ist Otto Zeitler. Eine Anfrage der Süddeutschen Zeitung, ob er Familienmitglieder beschäftige, hatte Zeitler tags zuvor noch mit "Nein" beantwortet. Ministerpräsident Horst Seehofer sagte, ihm sei "bislang unbekannt, dass es eine solche Regelung gibt." Er wolle sie nun abschaffen. "Ich denke, dass sie 13 Jahre nach der Schaffung nicht mehr begründbar und gegenüber der Öffentlichkeit darstellbar ist. Deshalb muss man diese Regelung beenden" Die eigene Familien zu beschäftigen ist den Abgeordneten des Deutschen Bundestags verboten. Im Abgeordnetengesetz heißt es:
Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages.
Update 1: Trotz einer "dringenden Empfehlung" seiner Partei, Beschäftigungsverhältnisse mit Familienangehörige sofort zu beenden, will der Landtagsabgeordnete Eberhard Rotter seine Ehefrau auch weiterhin beschäftigen, berichtet der Bayerische Rundfunk. Derweil hat der Ältestenrat des Bayerischen Landtags den Fraktionen vorgeschlagen, eine Änderung des Abgeordnetengesetzes in einem parlamentarischen Verfahren zu beraten. Zunächst hieß es, die CSU habe ein Beschäftigungsverbot für Familienangehörige im Eilverfahren und ohne Debatte durchsetzen wollen.
Update 2:
Wie der SPIEGEL heute (29.4.2013)
berichtet, hat die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär ihren jetzigen Ehemann bis zu ihrer Hochzeit 2006 in ihrem Bundestagsabgeordnetenbüro beschäftigt. Laut Abgeordnetengesetz sind "Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages" unzulässig. Bär
schrieb auf ihrer Homepage, sie habe sich an geltendes Recht gehalten. Der Passus im Abgeordnetengesetz zu "Lebenspartnern" sei im Zuge "des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften vom 16.02.2001 auf Lebenspartnerschaften" ausgedehnt worden. "Lebenspartner" seien demzufolge nur Personen gleichen Geschlechts. "Dies darf nicht verwechselt werden mit dem Begriff des Lebensgefährten oder Freundes," so die CSU-Politikerin. Inzwischen erklärte die Bundestagsverwaltung, dass das
Arbeitsverhältnis mit einem Verlobten "nach den geltenden Regelungen nicht ausgeschlossen" sei. Wir sind der Meinung, dass Abgeordnete berufliche und private Beziehungen grundsätzlich strikt trennen sollten. Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE haben wir folgende
Bewertung abgegeben:
In der Debatte um fragwürdige Job-Vergabepraktiken in Abgeordnetenbüros übt die Organisation "Abgeordnetenwatch" jetzt scharfe Kritik. "Offenbar fehlt es manchem Volksvertreter am nötigen Fingerspitzengefühl", sagte Sprecher Martin Reyher SPIEGEL ONLINE am Montag. Er geht sogar soweit, dass persönliche Beziehungen bei der Jobvergabe überhaupt keine Rolle spielen dürften. "Für Abgeordnete muss klar sein: Vitamin B bei der Anstellung und Beschäftigung eines Mitarbeiters ist absolut tabu. Deswegen sollten sie Berufliches und Privates strikt trennen, auch dann, wenn die berufliche Beziehung erst im Laufe der Zeit zu einer privaten wird", so Reyher weiter. "Nur so können Politiker den Eindruck vermeiden, als wollten sie oder ihre Angehörige aus dem Mandat persönlich Kapital schlagen."
Auch stern.de hat uns um eine Bewertung gebeten.
Update 3: Am 3. Mai hat die Präsidentin des bayerischen Landtags, Barbara Stamm, eine Liste mit den Namen von insgesamt 79 Abgeordneten veröffentlicht, die seit dem Jahr 2000 von der Altfallregelung Gebrauch gemacht haben. Die Liste als pdf
Update 4: Wie die Bild am Sonntag am 5. Mai berichtet, hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Albert Rupprecht bis Oktober 2009 über Jahre seine Lebensgefährtin und spätere Frau als Arbeitskraft beschäftigt. Für ein Bruttogehalt von 1200 Euro im Monat habe sie Reden vorbereitet, Besuchergruppen betreut und Bürgerfragen aus dem Wahlkreis bearbeitet. Wie der SPIEGEL am selben Tag per Vorabmeldung berichtet, hat die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär mit ihrer Abgeordnetenpauschale eine Mitarbeiterin, die zugleich ihre Büroleiterin in der CSU-Landesleitung ist, beschäftigt. Demnach stockte Bär das Gehalt der CSU-Vollzeitkraft im Rahmen eines sogenannten Midi-Jobs mit Mitteln des Bundestags um bis zu 850 Euro im Monat auf.
Update 5: Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks (21.5.2013) hat der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Harald Güller, den Sohn seiner Frau aus erster Ehe im Jahr 2009 zwei Monate lang über die staatliche Mitarbeiterpauschale beschäftigt. Dies geschah widerrechtlich, da Abgeordneten seit Dezember 2000 die Beschäftigung von Familienangehörigen verboten ist. Ausnahmen galten lange Zeit nur, wenn diese schon vor Inkrafttreten des Gesetzes eingestellt worden waren. Güller erklärte nach Angaben der Süddeutschen Zeitung, er habe auch als Jurist nicht erkannt, dass der Mann durch die Heirat juristisch sein (Stief)sohn geworden sei und er die Kosten nicht gegenüber dem Landtag hätte geltend machen dürfen. Während seiner Beschäftigung erhielt der Stiefsohn Güllners monatlich 3.700 Euro brutto.
Fragen an die bayerischen Landtagsabgeordneten? Hier geht's zu abgeordnetenwatch.de Bayern...
Foto Maximilianeum: pilot_micha / Flickr (CC BY-NC 2.0)