kurz vor Jahresschluss melden wir uns noch einmal mit Teil II unseres Rückblicks auf interessante Recherchen der vergangenen zwölf Monate – und mit besten Wünschen für 2020! Es würde uns freuen, wenn Sie unsere Arbeit auch im nächsten Jahr mit Interesse verfolgen.
Die Themen in der Übersicht:
FDP-Staatssekretär vergab 600.000 Euro-Auftrag an FDP-Großspenderin
Einfluss auf Gesetzentwurf: Peter Altmaier und die Saarland-Connection
Kuriose Antworten: Warum die Bundesregierung ein Lobbyregister verweigert
Ministerien halten Lobbyistennamen unter Verschluss – wegen angeblicher Staatsgefährdung
Warum es in Deutschland keine Zuckersteuer gibt
Freundschaftsdienst für Lobbyisten: abgeordnetenwatch.de-Recherche bringt CDU-Politiker in Erklärungsnot
Fragen und Antworten aus 2019
FDP-Staatssekretär vergab 600.000 Euro-Auftrag an FDP-Großspenderin
Eine Unternehmerin spendet der FDP 50.100 Euro – später erhält ihre Firma einen 600.000 Euro-Auftrag vom FDP-geführten Schulministerium in Nordrhein-Westfalen. Interne Dokumente zeigen, dass die Vergabe innerhalb kurzer Zeit auf die Firma der FDP-Spenderin zulief, eine Ausschreibung gab es nicht. Merkwürdig, findet das die Opposition. Alles in Ordnung, meint die FDP.
Chronologie einer erstaunlichen Auftragsvergabe
Nachdem abgeordnetenwatch.de und andere über den Vorgang berichteten und die Opposition im NRW-Landtag Druck machte, rang sich die NRW-Schulministerin zu einer Neuausschreibung des Auftrags durch.
„Gerne würde ich darüber kurz mit Ihnen telefonieren“: So steht es in einem Lobbyschreiben, das der größte deutsche Arzneimittelimporteur Kohlpharma am 11. Januar an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier schickte. Bemerkenswert ist, was dann geschieht: Wenige Tage später finden sich die Vorschläge des Lobbyisten in einem Gesetzentwurf wieder. Das zeigen interne Unterlagen des Wirtschaftsministeriums, die wir über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beantragt haben und nun veröffentlichen. Danach setzte sich Altmaier massiv für die Interessen von Kohlpharma ein – das Unternehmen hat die Zentrale in seinem Wahlkreis.
Kuriose Antworten: Warum die Bundesregierung ein Lobbyregister verweigert
Um Regierungshandeln transparenter zu machen, hat sich die Große Koalition Anregungen aus der Zivilgesellschaft geholt, unter anderem auch von abgeordnetenwatch.de. Doch von einer Empfehlung will die Regierung nun nichts wissen: Die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters. Im „Nationalen Aktionsplan“ für transparentes Regierungshandeln, den das Kabinett kürzlich verabschiedet hat, fehlt das empfohlene Lobbyregister. Warum?
Der Journalist und Blogger Tilo Jung hat diese Frage im Rahmen der Regierungspressekonferenz gestellt. Die Antworten klingen teilweise surreal. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, Transparenz fördere das Vertrauen von Bürger:innen in das Regierungshandeln – doch für Misstrauen gegenüber der Politik gebe es überhaupt „keinen Grund, im Gegenteil“. Eine Sprecherin von Bundesinnenminister Horst Seehofer behauptete, es existierten bereits ausreichende Regeln für transparentes Regierungshandeln.
Jetzt. Erst. Recht.
Es ist nicht zu fassen: Die Bundesregierung verweigert ein Lobbyregister – und Wirtschaftsminister Peter Altmaier drückt die Lobbyinteressen eines Unternehmens aus seinem Wahlkreis durch (s.o.).
Geschichten wie diese machen uns nur entschlossener: Wenn die Politik nicht selbst aktiv wird, müssen wir Bürger:innen sie dazu bringen! Unterstützen Sie unsere Arbeit für ein verbindliches Lobbyregister und gegen geheimen Lobbyismus. Durch Ihre Spende ermöglichen Sie weitere Recherchen. Gemeinsam werden wir erfolgreich sein!
Dank eines Hausausweises können im Bundestag hunderte Lobbyisten ungehindert ein und aus gehen – doch wie sieht es in den Ministerien aus? Einige Behörden wollen die Information, welche Lobbyakteure in Besitz einer Zugangskarte sind, unbedingt unter Verschluss halten. Sowohl das Verteidigungsministerium als auch das Auswärtige Amt haben einen Auskunftsantrag von abgeordnetenwatch.de abgelehnt und dafür eine groteske Begründung vorgebracht: Ein Bekanntwerden könne die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden.
In zahlreichen Ländern gehen Regierungen inzwischen mit einer Zuckersteuer gegen extrem gesüßte Getränke vor – nicht so in Deutschland: Die deutsche Zuckerlobby hat eine solche Steuer bislang erfolgreich verhindern können. Dabei hilft ihr, dass der eigene Cheflobbyist jahrelang in leitender Funktion im Ernährungsministerium tätig war.
Bundesernäherungsministerin Julia Klöckner (CDU) setzt auf eine freiwillige Selbstkontrolle der Industrie, was auch in den eigenen Reihen für Kritik sorgt. Und der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte schließt wegen Klöckners nachsichtigem Kurs nicht mehr aus, sich aus einem Beratungsgremium des Ernährungsministerium zurückzuziehen.
Freundschaftsdienst für Lobbyisten: abgeordnetenwatch.de-Recherche bringt CDU-Politiker in Erklärungsnot
Interne Dokumente aus dem Bundeswirtschaftsministerium zeigen, wie der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß einer großen Beratungsgesellschaft einen Gefallen tat. Der CDU-Politiker ließ von seinen Beamten Informationen zur Energiepolitik zusammenstellen – ganz nach den Wünschen der Großkanzlei Baker Tilly. Dort arbeitet ein Parteifreund, der wiederum einem potentiellen Klienten etwas Gutes tun wollte.
Fragen und Antworten aus 2019
Bundestagsdebatten | Wenn er Plenardebatten im Fernsehen verfolgt, stößt einem Fragesteller eine Sache besonders auf: „Ich bin dabei jedes mal entsetzt über das - bis auf wenige Ausnahmen - schlechte Benehmen der Abgeordneten,“ schreibt ein Rentner an Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP). Ihm missfalle etwas „das ständige dazwischen brüllen/krähen“ oder „das demonstrative Abwenden und mit dem Nachbarn reden wenn man direkt angesprochen wird.“ Kubicki antwortet, dass angesprochene Verhalten sei „größtenteils nicht rügefähig“. Außerdem seien Bundestagspräsidenten „nicht dafür da, einen Erziehungsauftrag gegenüber den Abgeordneten und Regierungsmitgliedern zu erfüllen“.
Helmkampagne | In einer Kampagne des Bundesverkehrsministeriums werben leicht bekleidete Models für die Nutzung von Fahrradhelmen. Eine Bürgerin schreibt an Minister Andreas Scheuer (CSU): „Ich erkenne die schlüpfrige Doppeldeutigkeit der Worte "Verhütung" und "Verkehr" in dieser Kampagne, beschäftige mich selbst im Straßenverkehr aber nicht mit Sex und denke beim Sex nicht, Hilfe, wo ist mein Helm. Was soll dieser Blödsinn?“ Die Fragestellerin will wissen, wann es aus Scheuers Ministerium endlich Gesetzentwürfe „zu dringenden Problemen wie die Stärkung des ÖPNV und der Bahn oder ein Tempolimit“ gebe.
Strache-Video | Ein Bürger unterstellt in seiner Frage an den Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer (Grüne), dass wohl alle Parteien ein ähnliches Bild wie die FPÖ abgäben, wenn man sie mit einer versteckten Kamera filmen würde. Bütikofers Antwort: „Wie kommen Sie eigentlich dazu, zu unterstellen, dass alle Politikerinnen und Politiker, also auch ich, ebensolche korrupten Rechtsverächter seien wie die in dem Ibiza-Video aufgeflogenen besoffenen, möglicherweise zugekoksten und gierigen Extremisten der FPÖ? Halten Sie es eigentlich für normal, dass Sie einen ganzen Berufsstand pauschal beleidigen? Ich verwehre mich gegen solchen Unsinn.“ Seine Mail schließt der Europaabgeordnete „ohne besonders große Hochachtung“.
Haben auch Sie Fragen an die Abgeordneten im Bundestag, den Landtagen oder dem EU-Parlament? Hier geht es zur Fragemöglichkeit auf abgeordnetenwatch.de:
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Im Namen des gesamten abgeordnetenwatch.de-Teams wünschen wir Ihnen alles Gute für 2020. Kommen Sie gut ins neue Jahr!