Lissabon-Vertrag

Mit großer Mehrheit hat das Europäische Parlament die Entschließung zum EU-Reformvertrag von Lissabon verabschiedet. Bei den 99 deutschen EU-Abgeordneten gab es Nein-Stimmen aus den Reihen der Linken. Das Vertragswerk muss nun in allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden

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Dafür gestimmt
82
Dagegen gestimmt
5
Enthalten
0
Nicht beteiligt
12
Abstimmungsverhalten von insgesamt 99 Abgeordneten.
Name Absteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Dagmar Roth-BehrendtDagmar Roth-BehrendtSPD (S&D)3 - Berlin Nicht beteiligt
Portrait von Mechtild RotheMechtild RotheSPD (S&D)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Heide RühleHeide RühleDIE GRÜNEN/PIRATEN/ÖDP (Grüne/EFA)1 - Baden-Württemberg Dafür gestimmt
Portrait von Frithjof SchmidtFrithjof SchmidtDIE GRÜNEN/PIRATEN/ÖDP (Grüne/EFA)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Horst SchnellhardtHorst SchnellhardtCDU/CSU (EVP)14 - Sachsen-Anhalt Dafür gestimmt
Portrait von Jürgen SchröderJürgen SchröderCDU/CSU (EVP)13 - Sachsen Dafür gestimmt
Portrait von Elisabeth SchroedterElisabeth SchroedterDIE GRÜNEN/PIRATEN/ÖDP (Grüne/EFA)5 - Brandenburg Dafür gestimmt
Portrait von Martin SchulzMartin SchulzSPD (S&D)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Willem SchuthWillem SchuthFDP/FREIE WÄHLER (ALDE)9 - Niedersachsen Dafür gestimmt
Portrait von Andreas SchwabAndreas SchwabCDU/CSU (EVP)1 - Baden-Württemberg Nicht beteiligt
Portrait von Renate SommerRenate SommerCDU/CSU (EVP)10 - Nordrhein-Westfalen Dafür gestimmt
Portrait von Gabriele StaunerGabriele StaunerCDU/CSU (EVP)2 - Bayern Nicht beteiligt
Portrait von Ulrich StockmannUlrich StockmannSPD (S&D)14 - Sachsen-Anhalt Dafür gestimmt
Portrait von Helga TrüpelHelga TrüpelDIE GRÜNEN/PIRATEN/ÖDP (Grüne/EFA)4 - Bremen Dafür gestimmt
Portrait von Feleknas UcaFeleknas UcaDIE LINKE9 - Niedersachsen Dagegen gestimmt
Portrait von Thomas UlmerThomas UlmerCDU/CSU (EVP)1 - Baden-Württemberg Dafür gestimmt
Portrait von Karl von WogauKarl von WogauCDU/CSU (EVP)1 - Baden-Württemberg Dafür gestimmt
Portrait von Sahra WagenknechtSahra WagenknechtDIE LINKE3 - Berlin Dagegen gestimmt
Portrait von Ralf WalterRalf WalterSPD (S&D)11 - Rheinland-Pfalz Dafür gestimmt
Portrait von Manfred WeberManfred WeberCDU/CSU (EVP)2 - Bayern Dafür gestimmt
Portrait von Barbara WeilerBarbara WeilerSPD (S&D)7 - Hessen Dafür gestimmt
Portrait von Anja WeisgerberAnja WeisgerberCDU/CSU (EVP)2 - Bayern Dafür gestimmt
Portrait von Rainer WielandRainer WielandCDU/CSU (EVP)1 - Baden-Württemberg Dafür gestimmt
Portrait von Gabriele ZimmerGabriele ZimmerDIE LINKE16 - Thüringen Dagegen gestimmt

Das Vertragswerk, das die Staats- und Regierungschefs am 13. Dezember 2007 in Lissabon unterzeichnet haben, soll die EU nach innen funktionsfähiger und nach außen handlungsfähiger machen. Durch die EU-Erweiterung auf 27 Mitgliedsstaaten war es zuletzt immer schwieriger geworden, mit der bisherigen institutionellen Ausgestaltung der Union Entscheidungen zu treffen. Dieses Problem zeigte sich beispielsweise in zentralen Politikfeldern, in denen einzelne Staaten durch ein Veto Entscheidungen blockieren konnten. In Zukunft soll es nur noch in Ausnahmefällen Veto-Entscheidungen geben, in der Regel soll nach dem Mehrheitsprinzip abgestimmt werden. Um bevölkerungsreiche Länder wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien nicht gegenüber kleinen Staaten wie Litauen oder Zypern zu benachteiligen, wurde mit dem Lissabon-Vertrag das Prinzip der doppelten Mehrheit eingeführt: Eine Entscheidung kommt dann zustande, wenn mindestens 55 Prozent der Mitgliedsstaaten zustimmen, die insgesamt 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten.

Weitere Änderungen durch den Vertrag von Lissabon:
Um mehr Kontinuität zu gewährleisten, soll der EU-Ratspräsident nicht wie bisher nur ein halbes Jahr amtieren, sondern vom Rat der Staats- und Regierungschefs auf zweieinhalb Jahre gewählt werden. Durch die längere Amtszeit wird dem Ratspräsidenten außerdem mehr Gewicht verliehen.
Die EU wird von einer Art Außenminister, dem "Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik" repräsentiert. Dieser soll einen diplomatischen Dienst erhalten und Vizepräsident der EU-Kommission werden. In der Kommission fällt der Posten des Außenkommissars weg.
Die zur Zeit 27 Mitglieder umfassende EU-Kommission soll schlanker werden. Ab 2014, wenn die Kommission auf zwei Drittel der EU-Staaten verkleinert werden soll, stellt nicht mehr jedes Mitgliedsland einen Kommissar. Stattdessen wechseln sich die einzelnen Länder ab.
Das EU-Parlament soll einerseits gestärkt werden und muss künftig bei fast allen Entscheidungen der Union zustimmen. Andererseits bleibt das Parlament nach wie vor ohne Mitspracherecht bei Entscheidungen, die die Außen- und Sicherheitspolitik betreffen. Auch darf das EU-Parlament weder eigene Gesetze vorlegen noch den Ratspräsidenten bestimmen.
Erstmals kann ein Mitgliedsstaat aus der EU austreten.
Die demokratische Kontrolle der Organe der Europäischen Union durch die nationalen Parlamente wird gestärkt. Diese erhalten das Recht, eine erneute Überprüfung von Rechtsvorschriften zu verlangen, wenn sie der Ansicht sind, dass durch diese das Subsidiaritätsprinzip verletzt wird.

Gegenüber dem Verfassungsvertrag, der 2005 nach ablehnenden Referenden in Frankreich und den Niederlanden verworfen wurde, verzichtet der Vertrag von Lissabon u.a. auf:
staatstypische Symbole wie Flagge und Hymne,
die Bezeichnung "Verfassung",
die Schaffung des Amtes eines EU-Außenministers (nun: "Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik"),
die Aufnahme der Grundrechtecharta, diese wird allerdings durch einen Verweis für rechtsverbindlich erklärt (außer in Großbritannien und Polen).
eine sofortige Einführung der doppelten Mehrheit bei Abstimmungen, dieses Prinzip wird erst ab 2014 eingeführt (s.o.).

Gegen den Lissabon-Vertrag gibt es vielfältige Kritik. Moniert wird u.a., dass das strukturelle Demokratiedefizit der Europäischen Union nicht gelöst wurde (kaum kontrollierbare Macht der Ministerialbeamten im Rat, Legitimation der EU-Verträge und der EU-Kommission, Gewaltenteilung, fehlendes Initiativrecht des Parlaments, Ersatz-Gesetzgebung durch EU-Fallrecht, eigenmächtige Kompetenzerweiterungen der EU-Institutionen). Die Linke, deren Abgeordnete mit einer Ausnahme gegen den Lissabon-Vertrag stimmte, kritisierte dessen neoliberale Ausrichtung. Ziel sei ein friedliches, soziales und demokratisches Europa, was mit dem Lissabon-Vertrag nicht erreicht werde.

Der Lissabon-Vertrag muss von allen 27 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Die Iren hatten am 12. Juni 2008 den Reformvertrag in einem Referendum abgelehnt.