Ein Testballon namens „Diätenerhöhung“

Dieser Testballon flog nicht weit: Die Fraktionsspitzen im Bundestag wollten offenbar ausloten, wie die öffentliche Resonanz auf eine Reform der Altersbezüge von Abgeordneten ausfällt, wenn dafür gleichzeitig die Diäten ansteigen. Doch dann kam eine Wutwelle und das Dementi. Komisch, denn eigentlich sind sich alle einig.

von Martin Reyher, 24.08.2010

Vor einigen Tagen sah bild.de eine Wutwelle rollen. „Abgeordnete wollen sich 500 Euro mehr gönnen“, empörte sich das Portal „DIESER Plan sorgt für eine Welle der Wut und Empörung.“


Das mit den 500 Euro war natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn nachdem in dem Wut-Artikel die 97 Prozent der bild.de-User, die die Pläne für eine „Unverschämtheit!“ halten, als Kronzeugen in Stellung gebracht wurden, heißt es weiter:

Da hilft es auch nicht, dass gleichzeitig zur möglichen Anhebung der Bezüge über eine Kürzung der Abgeordneten-Pensionen und eine Koppelung der Diäten an die Lohn-Entwicklung gesprochen werden soll.

Dass sich Abgeordnete selbst um ihre Altersvorsorge kümmern (womit gleichzeitig eine Aufstockung ihrer Bezüge verbunden wäre), ist eine Forderung, die immer wieder aufgestellt wird, z.B. von: Volkmar Vogel (CDU):

Vorstellbar wäre daher ein Modell, bei dem Abgeordnete vollständig selbst für ihre Altersversorgung aufzukommen hätten. Dies ließe zwar jedem Abgeordneten die Wahl, auf welche Weise er dies machen will und wäre gewiss auch maßgeblich von seinem beruflichen Hintergrund mitbestimmt. Allerdings hätte dieses Modell eine erhebliche Erhöhung der Diäten zur Voraussetzung.

Uwe Barth (FDP):

Was die Menschen bei der Politikerversorgung zu Recht am meisten ärgert ist nicht die Bezahlung während der Amtszeit, sondern die bisherige Altersversorgung nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Die FDP schlägt vor, zu einem System zu kommen, das in anderen freien Berufen angewandt wird.

Günther Gloser (SPD):

Kritik übe ich übrigens nach wie vor an der Altersvorsorge für Abgeordnete. Hier hätte ich mir schon im November eine grundlegende Reform gewünscht. Das ist leider am Widerstand der CDU/CSU gescheitert. Die nun vereinbarte Reduzierung der Altersvorsorge ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch ich halte eine weitergehende Reform für unabdingbar.

Kerstin Andreae (Grüne):

Wir Grüne haben gegen die letzte Diätenerhöhung gestimmt und setzen uns außerdem dafür ein, die Rentenversorgung von Parlamentariern zu reformieren. Ppp wollen, dass Abgeordnete regulär in die Rentenkasse einzahlen und nicht schon nach wenigen Jahren im Parlament umfassende Pensionen erhalten.

Lothar Bisky (Linke):

Privilegien wie die steuerfreie Kostenpauschale und die beitragsfreie Altersversorgung für Abgeordnete gehören auf den Prüfstand. Meine Partei, DIE LINKE, und ich selbst fordern, dass auch Abgeordnete künftig in die gesetzliche Rente einzahlen müssen.

Ja, dann ist ja alles klar! Wenn Abgeordnete aller Fraktionen sich beim Thema Reform der Altersvorsorge einig sind, wird einer raschen Umsetzung sicher nichts im Wege stehen; im NRW-Landtag gibt es solch ein Modell bereits. Von wegen! Das Dementi aus den Fraktionen folgte prompt:

Die Nachrichtenagentur ddp berichtete weiter:
Eine Sprecherin der Unions-Fraktion sagte, sie könne die Angaben nicht bestätigen. Von der FDP-Fraktion hieß es, die Fraktionsspitze könne wegen der Sommerpause derzeit nichts beschließen und auch zu Sitzungszeiten sei dies kein Thema gewesen. Auch die SPD-Fraktion gab an, Diäterhöhungen seien momentan nicht im Gespräch. In der Grünen-Fraktion konnten nach Angaben einer Sprecherin weder die Fraktionsspitze noch der Parlamentarische Geschäftsführer die Angaben bestätigen. Ein Sprecher der Linke-Fraktion sagte, die Fraktion wisse «nichts von solchen Plänen». Zudem lehne die Linksfraktion jede Form der Diätenerhöhung zum jetzigen Zeitpunkt strikt ab.

Tatsächlich handelte es bei den Äußerungen der Fraktionssprecher um gar kein Dementi, sondern um ganz viel heiße Luft. Denn niemand, nicht einmal BILD, hatte behauptet, dass eine Diätenreform in den Fraktionen ein Gesprächsthema sei, geschweige denn, dass ein Beschluss bevorstünde oder sogar schon gefasst worden sei:

In Wirklichkeit ist es wohl so, dass die Politik heimlich, still und leise, einen Testballon hat steigen lassen um auszuloten, auf welche Reaktionen ein solcher Vorschlag stößt. Dieser Ballon ist allerdings ziemlich schnell wieder abgestürzt, mitgerissen von der Wutwelle.

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