Bekenntnis zum Neutralitätsgebot an öffentlichen Schulen

Das Berliner Abgeordnetenhaus stimmte über einen Änderungsantrag der CDU-Fraktion ab, der sich für einen Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes ausspricht. Damit soll verhindert werden, dass Lehrer:innen an öffentlichen Berliner Schulen Kopftuch oder andere sichtbare religiöse Symbole tragen dürfen.

Der Antrag wurde mit 55 Ja-Stimmen der CDU-, FDP und AfD-Fraktion bei 88 Gegenstimmen der SPD-, Grünen- und Linke-Fraktion abgelehnt. Zwei Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE haben sich enthalten.

Weiterlesen
Dafür gestimmt
55
Dagegen gestimmt
88
Enthalten
2
Nicht beteiligt
15
Abstimmungsverhalten von insgesamt 160 Abgeordneten.

Das Berliner „Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005“, häufig abgekürzt bezeichnet als „Neutralitätsgesetz“, sieht für die öffentlichen Schulen in Berlin Folgendes vor:

Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht.

Diese Regelung ist in der Vergangenheit immer wieder kontrovers diskutiert worden. Unter anderem hat das Bundesarbeitsgericht im August 2020 geurteilt, dass ein pauschales Verbot von religiösen Symbolen an staatlichen Institutionen nach deutschem Recht unzulässig sei. Auch innerhalb der Regierungskoalition in Berlin aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei herrschte danach Uneinigkeit über das weitere Vorgehen. Während die Grünen religiöse Symbole in statalichen Institutionen grundsätzlich erlauben wollen, legte die SPD-Bildungssenatorin Sandra Scheeres gar im Alleingang Anhörungsrüge beim Bundesarbeitsgericht ein – mit der Absicht, das Verfahren neu aufzunehmen.

Der hier abgestimmte Änderungsantrag der CDU-Fraktion beruhte dabei auf einem Antrag der Fraktion aus dem Jahr 2017, in dem ebenfalls schon ein Bekenntnis zu dem Neutralitätsgebot gefordert wurde. Im August 2021 überwies der Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales diesen Antrag schließlich mit einer Beschlussempfehlung zur Ablehnung zurück zur Abstimmung an das Abgeordnetenhaus. Zu dieser Beschlussempfehlung hat die CDU-Fraktion schließlich den Änderungsantrag eingebracht, der vorsieht, dass sich das Abgeordnetenhaus für den Erhalt des Berliner Neutralitätsgesetzes ausspricht.

In der Aussprache zu dem Antrag argumentierte Cornelia Seibeld für die CDU-Fraktion, dass das Kopftuch konfliktgeladen und politisch wie kein anderes religiöses Symbol sei. Insbesondere verkörpere es ein mit dem Grundgesetz inkompatibles Rollen- und Geschlechterbild. Deshalb dürften Lehrkräfte an öffentlichen Schulen nicht damit auftreten, da man Kinder nicht damit konfrontieren solle.

Ähnlich sprach Hanno Bachmann der AfD-Fraktion davon, dass es sich beim Kopftuch um „ein umstrittenes, höchst ambivalentes Symbol mit ungebrochener patriarchaler und fundamentalistischer Konnotation handle. Diese Botschaft habe an Schulen nichts verloren.

Dr. Maren Jasper-Winter kritisierte in dem Zusammenhang für ihre FDP-Fraktion die Zerstrittenheit der Regierungskoalition zu der Frage. Für die FDP stünde fest, dass die Neutralität staatlicher Institutionen stets gewahrt werden müsse. Dies jedoch wie die AfD auf das Kopftuch zu reduzieren, überhöhe und emotionalisiere die Debatte. Das Neutralitätsgebot müsse immer auf alle religiösen Symbolen angewandt werden.

Maja Lasić kritisierte für die SPD-Fraktion, dass die CDU mit ihrem Antrag Stimmenfang betreibe. So liege die Absicht dabei, den Antrag von 2017 kurz vor der Wahl in namentlicher Abstimmung zu behandeln, eigentlich nur darin, anschließend damit werben zu können, dass die SPD gegen das Neutralitätsgesetz gestimmt habe. Für sie persönlich und die SPD stünde nach Abwägung individueller Religionsfreiheit dennoch fest, dass man die Neutralität des Staates um keinen Preis aufgeben werde und am Neutralitätsgebot festhalte. Das würde man auch in den Koalitionsgesprächen für die nächste Legislatur einbringen.

Hakan Taş legte für die Linksfraktion dar, dass nach geltender Rechtssprechung das Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst grundgesetzwidrig sei. Die anhaltende gesellschaftliche Diskussion darüber sei derweil wichtig. Für ihn persönlich zählte was in den Köpfen steckt, und nicht, wie diese bedeckt sind. Deshalb würde er gegen den Antrag stimmen.

Ähnlich führte Dr. Susanna Kahlefeld für die Grünen-Fraktion an, dass sie alle fest auf dem Boden der Verfassung stehen müssten. Deshalb sei es geboten, Gerichtsurteile zu der Frage umzusetzen und die Neutralität von Lehrkräften nicht anhand ihrer Kleidung zu beurteilen. Damit würde man auch Geld sparen, da man sonst im Dauerzustand Prozesskosten tragen und Entschädigungen zahlen müsse.

Der Antrag wurde mit 55 Ja-Stimmen der CDU-, FDP und AfD-Fraktion bei 88 Gegenstimmen der SPD-, Grünen- und Linke-Fraktion abgelehnt. Zwei Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE haben sich enthalten. 15 Abgeordnete haben sich nicht beteiligt.