Rechnungshof kritisiert Zweckentfremdung von Steuergeldern durch Fraktionen #KurzErklärt

Völlig überraschend hat der Bundesrechnungshof kürzlich seine Prüfberichte über die Verwendung von Steuergelder durch die Bundestagsfraktionen veröffentlicht. Darin führen die Rechnungsprüfer zahlreiche kleinere und größere Belege dafür auf, wie im Wahljahr 2013 öffentliche Gelder zweckentfremdet wurden. Bei einer Fraktion waren die Verfehlungen besonders eklatant. Nachtrag: Die Bundestagsverwaltung hat inzwischen Strafzahlungen verhängt, siehe Update. #KurzErklärt

von Martin Reyher, 30.04.2019
Rechnungshofberichte zu Fraktionsfinanzen 2013 (Deckblätter)

Prüfberichte des Bundesrechnungshofes zu den Fraktionsfinanzen bekommt die Öffentlichkeit normalerweise nicht zu Gesicht. Doch nun haben die staatlichen Prüfer die Dokumente überraschend ins Internet gestellt. Die Berichte stammen aus dem April 2017 und betreffen das Wahljahr 2013. Sie belegen zum Teil eklatante Verstöße.

Für die Fraktionen, die sich über öffentliche Zuschüsse aus Steuermitteln finanzieren, gelten strikte Regeln. Zwar dürfen sie über ihre Arbeit im Parlamentsalltag informieren, Wahlwerbung ist den Bundestagsfraktionen jedoch ausdrücklich untersagt. Dennoch seien die ihnen anvertrauten Gelder für unzulässige Parteiwerbung zweckentfremdet worden, kritisiert der Rechnungshof. In einigen Fällen wurden Unterlagen vernichtet. 

"Im erheblichen Umfang rechtswidrig"

Dem Bericht zufolge setzten alle damals im Bundestag vertretenen Fraktionen* die Steuergelder teilweise "zweck- und rechtswidrig“ für Parteiaufgaben ein: Union und Grüne in "einzelnen Fällen", SPD und Linke in "mehreren Fällen". Am deutlichsten fallen die Rügen der Rechnungsprüfer im Fall der FDP aus: 

  • Öffentliche Mittel seien von der FDP-Fraktion „in erheblichem Umfang (…) zweck- und damit rechtswidrig für Parteiaufgaben“ eingesetzt worden, beispielsweise für Kinospots im Vorfeld der Bundestagswahl. 
  • Die FDP-Fraktion habe nach ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 "viele Unterlagen vernichtet", obwohl sie diese hätte aufbewahren müssen. Es gebe „zahlreiche Anhaltspunkte“ dafür, dass „viele“ der nun nicht mehr prüfbaren Vorgänge nicht ordnungsgemäß waren.
  • Der Rechnungshof attestiert der FDP außerdem „zahlreiche Verstöße“ gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit, insbesondere im Zusammenhang mit einer Medienagentur. So habe die Fraktion „niemals“ Unterlagen über die tatsächlich entstandenen Kosten angefordert, sondern stets den im Kostenvoranschlag aufgeführten Preis gezahlt. (Der Name der Agentur ist im Rechnungshofbericht unkenntlich gemacht. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich dabei um ein Unternehmen handelt, an dem die FDP direkt oder indirekt beteiligt ist. Dazu zählen seit vielen Jahren Agenturen wie Universum Kommunikation und Medien AG oder die ProLogo GmbH.)

Zu den übrigen Bundestagsfraktionen* führt der Rechnungshof unter anderem aus:

  • Bei der Linksfraktion seien Unterlagen über die Verwendung öffentlicher Mittel "zum Teil" nicht (mehr) vorhanden. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass diese nun nicht mehr prüfbaren Vorgänge "teilweise“ nicht ordnungsgemäß waren. Zudem habe die Linksfraktion „in mehreren Fällen" öffentliche Mittel „zweck- und damit rechtswidrig“ für Parteiaufgaben eingesetzt, etwa durch unrechtmäßige Wahlkampfzuschüsse an Direktkandidierende in Höhe von insgesamt rund 24.000 Euro. 
  • Die SPD-Fraktion habe "in mehreren Fällen" öffentliche Mittel zweck- und damit rechtswidrig für parteiwerbende Zwecke ein. So seien beispielsweise 36 Veranstaltungen in der Schlussphase von Wahlkämpfen auf Bundes- und Landesebene unzulässig gewesen, da diese den Charakter von Parteiveranstaltungen gehabt hätten. „Die Bundestagsfraktion hätte daher für diese Veranstaltungen nicht rund 15.800 Euro zuzüglich Porto ausgeben dürfen“, so der Rechnungshof.
  • Bei CDU/CSU und Grünen seien "in einzelnen Fällen" öffentliche Mittel zweck- und damit rechtswidrig eingesetzt worden. Die Grünen etwa hätten zwei Ausgaben ihrer Fraktionszeitschrift wegen des werbenden Charakters nicht aus dem Fraktionsbudget finanzieren dürfen. Bei der Union rügte der Rechnungshof beispielsweise eine Facebook-Anzeige, bei der die Sachbotschaft „wenig konkret“ gewesen sei, sondern wahlwerbend und damit unzulässig.

Fraktionen erschwerten Zugang zu Prüfberichten

Die Bundestagsverwaltung hat eine "parteienrechtliche Prüfung" eingeleitet, die noch nicht abgeschlossen ist, so ein Parlamentssprecher auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de. Außerdem gebe es eine "fraktionsrechtliche Bewertung" des Sachverhalts. Sollten Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen nachgewiesen werden, droht die Rückzahlung der öffentlichen Zuschüsse – bei einem Verstoß gegen das Parteiengesetz auch empfindliche Strafzahlungen.

Dass der Rechnungshof die Prüfberichte kürzlich veröffentlicht hat, geht offenbar auf die erfolgreiche Klage eines Journalisten zurück. Vor einigen Jahren war die Herausgabe dieser Unterlagen deutlich eingeschränkt worden. Bis 2013 konnten Rechnungshofberichte von allen Interessierten über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) angefordert werden, dann wurde das Gesetz geändert: Der Bundesrechnungshof muss einer Herausgabe seitdem zustimmen (Präsident der Behörde ist übrigens ein langjähriger CDU/CSU-Fraktionsdirektor). Den Zugang erschwert hatten im Juni 2013 die Betroffenen der Rechnungshofprüfungen: die Fraktionen von Union, SPD, FDP, Grünen und Linken. Die von ihnen beschlossene Gesetzesänderung war so gut getarnt, dass sie lange Zeit niemandem auffiel.

Nachtrag 21.10.2019:

Die Bundestagsverwaltung hat die Zweckentfremdung von Steuermittel für Wahlkampfzwecke durch die Fraktionen als illegale Parteispenden eingestuft und mit Strafzahlungen belegt. Die CDU muss für eine illegale Spende von 31,32 Euro 93,96 Euro bezahlen, die SPD für etwa 15.000 Euro fast 45.000 Euro Strafe, die Linke für eine illegale Spendensumme von rund 30.000 Euro sogar über 90.000 Euro. Die Grünen wurden mit mehr als 17.000 Euro sanktioniert, sie hatten mehr als 5.500 Euro zweckfremd verwendet.

Die Bundestagsverwaltung folgte nicht in allen Punkten dem Bundesrechnungshof. In vielen Fällen bewertete die Verwaltung die Sachlage anders. So kommt es, dass die FDP keine Strafzahlung leisten musste. Die Sanktionen hatte der SPIEGEL öffentlich gemacht

Quellen:


* Die AfD war nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Bundesrechnungshof, da diese 2013 noch nicht dem Deutschen Bundestag angehörte.

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