9.541 Euro brutto erhalten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages jeden Monat an Entschädigung, wie die "Diäten" offiziell heißen, doch bei einigen Volksvertretern ist das noch nicht alles: Sie bekommen darüber hinaus noch stattliche Bonuszahlungen.
Dutzende Abgeordnete - nach Recherchen des ARD-Magazins Report Mainz insgesamt 85 von 630 Parlamentarier (2015) - kassieren sogenannte Funktionszulagen, weil sie Aufgaben innerhalb ihrer Fraktion wahrnehmen. Meist sind es die Parlamentarischen GeschäftsführerInnen, Fraktionsvorsitzenden und Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, die monatlich teilweise mehrere tausend Euro zusätzlich zu ihren Diäten erhalten. Begründet werden die Zulagen, die aus den Fraktionsetats und damit aus Steuermitteln stammen, mit dem zeitlichen Mehraufwand für die Wahrnehmung zusätzlicher Tätigkeiten in den Fraktionen. Die Höhe der Zahlungen wird durch die jeweilige Fraktion selbst bestimmt, eine Offenlegungspflicht für die Abgeordneten gibt es nicht.
Bonuszahlungen "mit dem Verfassungsrecht unvereinbar"
Nun sind die Rechnungen der Bundestagsfraktionen für das Jahr 2016 veröffentlicht worden, aus denen die Gesamthöhe der jeweils gezahlten Zulagen hervorgeht. Insgesamt beliefen sich diese bei den vier Fraktionen auf gut 3,6 Mio. Euro. Die meisten Bonuszahlungen schüttete die CDU/CSU-Fraktion mit rund 1,8 Mio. Euro aus. Die SPD zahlte ihren Funktionsträgern knapp 1,4 Mio. Euro, Grüne und Linke 345.000 bzw 110.000 Euro.
Doch die Zulagen, die auch in den meisten Landtagen gezahlt werden, sind rechtlich äußerst fragwürdig. Renommierte Verfassungsrechtler wie Hans-Herbert von Arnim und mehrere Rechnungshöfe halten sie in den meisten Fällen für verfassungswidrig. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Angelegenheit bereits geurteilt - demnach seien außer der Zulagen für Fraktionsvorsitzende alle anderen Bonusleistungen mit der Verfassung nicht vereinbar. Diese verstießen „gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten“, urteilten die obersten Verfassungsrichter im Juli 2000 (2 BvH 3/91). Konkret die Bonuszahlungen für stellvertretende Fraktionsvorsitzende, für parlamentarische Geschäftsführer, Ausschussvorsitzende, Obleute und fachpolitische Sprecher seien „mit dem Verfassungsrecht unvereinbar“. "Innerparlamentarische Einkommenshierarchien lassen es erstrebenswert erscheinen, parlamentarische Funktionen aus ökonomischen Gründen, unabhängig von individuellen politischen Intentionen und Kompetenzen, zu übernehmen, auszuüben und gegenüber Konkurrenten zu behaupten," so die Richter.
Das damalige Urteil betraf zwar konkret den Landtag Thüringen, allerdings betonten die Bundesverfassungsrichter 2007, dass seinerzeit "allgemeine Maßstäbe" aufgestellt worden seien (2 BvK 1/03).
Fast 4,6 Mio. Euro Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit
In den Rechnungen der Bundestagsfraktionen werden auch die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit aufgeführt. 2016 ließen sich CDU/CSU, SPD, Linke und Grüne dies rund 4,6 Mio. Euro kosten. Die Union gab mit 1,4 Mio. Euro am meisten für Eigen-PR aus, gefolgt von Linksfraktion (1,3 Mio. Euro), SPD (1,0 Mio. Euro) und den Grünen (800.000 Euro).
Auch die Fraktionsausgaben für Öffentlichkeitsarbeit haben immer wieder für Kritik gesorgt. In einem geheimen Prüfbericht beanstandete der Bundesrechnungshof in 67 Fällen die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen. Nach einem SPIEGEL-Bericht von 2015 wurde die Mängelliste, die die Rechnungsjahre 1999 bis 2006 betraf, von der SPD-Fraktion mit 28 Fällen angeführt, gefolgt von CDU/CSU (16 Fälle), Grünen (13 Fälle) und der FDP (10 Fälle) (die Linksfraktion war nicht Gegenstand der Prüfung, da sie nicht durchgehend dem Bundestag angehörte). Die Prüfer kritisierten in ihrem Bericht u.a. Broschüren und Anzeigenkampagnen, die von den Fraktionen in Wahlkampfzeiten veröffentlicht wurden – obwohl das Abgeordnetengesetz den Fraktionen untersagt, ihre Gelder für Partei- oder Wahlkampfzwecke zu verwenden.
Video zum Thema Funktionszulagen: Etwa 5,5 Millionen Euro kassieren Bundestags- und Landtagsabgeordnete nach Recherchen von Report Mainz jährlich durch rechtlich fragwürdige Zulagen. Verfassungsrechtler und Rechnungshöfe kritisieren die Abgeordneten-Boni als verfassungswidrig. (ARD-Beitrag vom 7. März 2017):