Abgeordnete erhielten 750.000 Euro an EU-Agrarsubventionen

Mindestens 16 Abgeordnete des Bundestags und des Europäischen Parlaments haben im Jahr 2009 EU-Agrarsubventionen für ihre privaten Landwirtschaftsbetriebe erhalten. Das ergaben Recherchen von abgeordnetenwatch.de. Insgesamt belaufen sich die Beihilfen für die deutschen Abgeordneten auf mindestens 756.056,26 Euro.

von Martin Reyher, 28.04.2010

Der größte Anteil davon entfällt auf den Bundestagsabgeordneten Hans-Georg von der Marwitz, CDU. Er erhielt zwischen 1.7.2008 und 30.6.2009 Subventionen in Höhe von 345.308,46 Euro. Damals war von der Marwitz noch kein Mitglied im Deutschen Bundestag.

EU-Beihilfen in fünfstelliger Höhe erhielten auch die Bundestagsabgeordneten Friedrich Ostendorff*, Grüne (43.812,98 Euro), Johannes Röring, CDU (38.538,99 Euro), Alois Gerig, CDU (30.343,63 Euro), Rainer Erdel, FDP (25.586,16 Euro), Franz-Josef Holzenkamp, CDU (21.558,97 Euro), Marlene Mortler, CSU (17.662,92 Euro), Josef Rief, CDU (17.418,40 Euro), Paul Friedhoff, FDP (10.160,16 Euro), Josef Göppel, CSU (3.786,29 Euro), Max Lehmer, CSU (3.674,04 Euro) und Christoph Poland, CDU (2.156,85 Euro). Die BoRo Agrar GbR, deren Gesellschafter der Abgeordnete Norbert Schindler, CDU, ist, erhielt 128.767,91 Euro. Die genannten Politiker sind allesamt Mitglieder bzw. stellvertretende Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses. Darüber hinaus erhielt der CSU-Abgeordnete Max Straubinger Zahlungen in Höhe von 1.740,02 Euro.

Die häufigste Form der Subventionen sind pauschale Direktzahlungen, deren Höhe von der jeweiligen Betriebsfläche abhängt. Anders als beispielsweise bei Einkünften aus einer Nebentätigkeit als Rechtsanwalt müssen Bundestagsabgeordnete Subventionen nicht an den Bundestagspräsidenten melden. Ein Bundestagssprecher begründete dies gegenüber abgeordnetenwatch.de damit, dass Einkünfte aus Subventionen nicht durch den "Vertrieb von Waren und Dienstleistungen" zustande kämen. Dies ist Voraussetzung für die Meldepflicht einer Nebeneinkunft. Bei den Zahlungen der EU dagegen handelt es sich um materielle Vorteile ohne unmittelbare Gegenleistung.

Einfluss auf die Verteilung dieser "materiellen Vorteile" hat nach Inkrafttreten des Lissabonvertrags neuerdings der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments. Er kann z.B. im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik mitentscheiden, an welche Bedingungen die Direktzahlungen aus den EU-Töpfen geknüpft werden. Künftig könnten also Europaabgeordnete, die selbst Empfänger von EU-Geldern sind, an der Ausgestaltung von Agrarsubventionen maßgeblich mitwirken.

Derzeit gehören beispielsweise zwei deutsche Mitglieder des EU-Agrarausschusses zu den Empfängern von Beihilfen. Der grüne Europaabgeordnete Martin Häusling erhielt 2009 Subventionen in Höhe von 41.717,49 Euro, sein CDU-Kollege Peter Jahr kam auf 23.822,99 Euro.

Anders als in vielen EU-Mitgliedsstaaten gibt es in Deutschland keine genaue Aufschlüsselung darüber, wofür die Empfänger das EU-Geld erhalten. Mitgeteilt wird lediglich, ob es sich um Direktzahlungen, um Gelder für die "Stabilisierung des Erzeuger- und Verbraucherpreisniveaus" oder um Beihilfen aus dem "Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums" handelt. Nur im Bundesland Bayern gibt es auf der Internetseite www.transparenz.bayern.de eine detailiertere Aufschlüsselung.

Welche Politiker für ihre privaten Landwirtschaftsbetriebe in welcher Höhe EU-Subventionen erhalten, ist nur mühsam über eine Internet-Datenbank unter www.agrar-fischerei-zahlungen.de zu ersehen. Dort veröffentlichte die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung am Montag die Namen der Empfänger von Agrarsubventionen für das Jahr 2009.

Gemessen an den 7,5 Milliarden Euro, die 2009 aus dem EU-Topf in die deutsche Landwirtschaft flossen, sind die Subventionszahlungen an die Abgeordneten allerdings nur "Peanuts". Alleine der Nordmilch-Konzern strich im vergangenen Jahr 51 Millionen Euro an Beihilfen ein. Die Südzucker AG erhielt rund 40 Millionen Euro, der Zuckerhändler Pfeiffer & Langen kam auf 17 Millionen.

Mit Rheinmetall erhielt sogar ein Rüstungsunternehmen Geld aus dem Agrar-Topf. Die Konzerntochter Forstverwaltung Rheinmetall Waffe Munition GmbH kassierte 83.795 Euro aus einem Förderprogramm, das die Entwicklung abgelegener ländlicher Gebiete voranbringen soll.


Quelle für alle Angaben: www.agrar-fischerei-zahlungen.de

 

 

*Nachtrag von 12:25 Uhr: Herr Ostendorff legt Wert auf die Feststellung, dass sich die Zahlen auf das Wirtschaftsjahr 2008/2009 (1.7.2008-30.6.2009) beziehen, ein Zeitraum, in dem er noch nicht Abgeordneter des Deutschen Bundestages war.

Nachtrag von 14:22 Uhr: In der ursprünglichen Version dieses Beitrags war der Abgeordnete Hans-Georg von der Marwitz noch nicht aufgeführt. Der Artikel wurde daraufhin leicht überarbeitet bzw. ergänzt.

Nachtrag vom 30.04.2010 Uhr, 10:35 Uhr: Ein User wies uns darauf hin, dass es sich bei den in einer früheren Version dieses Eintrags genannten 12.090,89 Euro an Norbert Schindler (Herrieden) nicht um Zahlungen an den Abgeordneten Norbert Schindler (Bobenheim am Berg) handelte. Dies wurde nun geändert. Herr Schindler ist Gesellschafter der BoRo Agrar GbR, die 128.767,91 Euro erhielt. Vielen Dank für den Hinweis!

Nachtrag vom 9.11.2010: Die Namen der Subventionsempfänger sind künftig wieder geheim. Die Frankfurter Rundschau schreibt:

Zwei Bauern aus Hessen haben sich erfolgreich mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg durchgesetzt. Demnach ist die Auflistung der Empfängernamen und der genauen Beiträge im Hinblick auf das Ziel der Transparenz „eine unverhältnismäßige Maßnahme“, so der Europäische Gerichtshof (EuGH). Die Veröffentlichungen in der Internet-Datenbank sei zudem ein Eingriff in die Rechte der Betroffenen (Rechtssachen C-92/09 und C-93/09). Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kündigte an, die Daten an deutsche Bauern zu sperren. Das Ressort sehe sich in seinen Bedenken bestätigt.